Zäsur in Bolivien: Einstiger Star der Linken endgültig ins Aus geschickt

Die Ära des Sozialismus ist in Bolivien nun endgültig und offiziell vorbei: Bei den Präsidentschaftswahlen vom Sonntag stürzte die MAS des früheren Staatschefs Evo Morales, schon vor seiner Amtszeit (2006-2019) Held der Linken weltweit, ins Bodenlose. Den Sieg machen sich zwei rechtsgerichtete Politiker bei der Stichwahl am 19. Oktober untereinander aus.

Eroberte Platz eins: Rodrigo Paz Pereira
Gerade einmal drei Prozent erreichte MAS-Spitzenkandidat Eduardo del Castillo. Zum Vergleich: Beim der vorigen Präsidentschaftswahl kam die MAS noch auf satte 55 Prozent. Jetzt eroberte Senator Rodrigo Paz Pereira von der Christdemokratischen Partei mit 32 Prozent der Stimmen Platz eins. Dahinter landete etwas überraschend Ex-Präsident Jorge „Tuto“ Quiroga Ramirez von der wirtschaftsliberalen „Freien Allianz“ mit einem Wähleranteil von 26 Prozent.

Schaffte es auch in die Stichwahl: Jorge "Tuto" Quiroga Ramirez
Politische Beobachter hatten den Umbruch schon vor dem Urnengang vorhergesagt. Wandel lag in der Luft. Und das hat fast ausschließlich mit der katastrophalen Lage im Andenstaat – zwölf Millionen Einwohner leben auf einer Fläche drei Mal so groß wie Deutschland – zu tun: Die Inflation kletterte auf 25 Prozent, die, Preise für Brot verdoppelten sich in kürzester Zeit.
Importgüter gibt es teils gar nicht mehr, oder sie sind unerschwinglich. Auch Treibstoff ist Mangelwaren. Besonders dramatisch: Vier von fünf Bolivianer sind informell beschäftigt, das heißt, sie haben kein festes Gehalt, keine Krankenversicherung, keine Pensionsvorsorge. Schon machten Vergleiche mit Venezuela die Runde.
Da wandten sich selbst die eingefleischtesten MAS- und Morales-Fans von der früheren Regierungspartei ab. Dabei hatte es „Evo“, wie der Ex-Präsident, der laut Verfassung bei der Wahl nicht mehr antreten durfte, stets von seinen Unterstützern genannt wurde, in seiner Amtsperiode geschafft, die extreme Armut in seinem Heimatland zu halbieren.
Basis dafür: Ein starkes Wirtschaftswachstum und hohe Einnahmen aus dem Gasgeschäft. Doch Investitionen in die Förderanlagen blieben aus, die Erlöse brachen ein, heute sind die Staatskassen leer.

Selbst unter den Indigenen bröckelt die Machtbasis von Evo Morales
Dazu kam ein Machtkampf innerhalb der MAS, der die Partei und Evo Morales, der dazu aufgerufen hatte, ungültig zu wählen, gleichermaßen beschädigt hat. Damit dürfte das politische Schicksal des 65-Jährigen, der ein freundschaftliches Verhältnis zum früheren österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer pflegte, endgültig besiegelt sein.

Er war bereits vor dem Urnengang stark isoliert. Ihm wird Vergewaltigung einer Minderjährigen vorgeworfen. Morales spricht von Politjustiz und flüchtete sich in eine schwer zugängliche Amazonas-Provinz, wo er, selbst indigener Herkunft, noch Rückhalt bei den dort ansässigen Ureinwohnern hat.
Kurs der Mitte oder Radikalkur?
Wie geht es nun weiter? Eine Zäsur steht jedenfalls an, die Frage ist, wie radikal. Der 57-jährige Paz steht laut Politbeobachtern für moderate Reformen und einen Kurs der Mitte. Der in Spanien Geborene will unter anderem die Staatsausgaben senken und eine Art bedingungsloses Grundeinkommen für Frauen einführen. Sein Rivale um das Amt des Staatsoberhauptes, Quiroga, setzt auf einen Radikalumbau des Staatssektors zugunsten von Privatisierungen.
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