Bierlein sucht den EU-Kommissar: Es könnte ein Experte werden

Bierlein sucht den EU-Kommissar: Es könnte ein Experte werden
Politik von innen: ÖVP, SPÖ, FPÖ müssen sich auf eine Person für den Top-Job einigen: erste Namen kursieren bereits

Österreichs nächsten EU-Kommissar zu finden, wird eine Meisterleistung. Es ist nämlich realpolitisch die Zustimmung von ÖVP, SPÖ und FPÖ nötig. Der Kommissar muss einstimmig im Ministerrat beschlossen werden (und braucht auch zwei der drei Parteien im Hauptausschuss des Nationalrats).

Die derzeitige Bundesregierung ist zwar offiziell ein parteiloses Beamtenkabinett, aber in Wahrheit ist jede der drei Parteien mit zumindest einem Minister vertreten, der auf Parteiwunsch ein Veto einlegen würde.

Folgerichtig führt Kanzlerin Brigitte Bierlein die Sondierungsgespräche über den EU-Kommissar mit den Chefs der drei größeren Parteien: Sebastian Kurz, Pamela Rendi-Wagner und Norbert Hofer. Dass sich die drei auf eine Person verständigen, ist schon schwierig genug. Hinzu kommt aber auch noch die Mitsprache der Kommissionspräsidentin.

Vetorecht

„Auf die Spitze getrieben hat Ursula von der Leyen ein Vetorecht gegen den österreichischen Kommissarsvorschlag“, sagt EU-Rechtsexperte Walter Obwexer. In Artikel 17 der EU-Verträge steht: „Der Rat nimmt im Einvernehmen mit der Kommissionspräsidentin die restlichen Mitglieder der Kommission an.“ Dieser Passus räume ihr gegenüber den EU-Ländern eine sehr starke Stellung ein, sagt Obwexer.

Von der Leyen wird Mitte Juli vom EU-Parlament als Kommissionspräsidentin designiert (im Herbst stimmt das EU-Parlament noch einmal über die gesamte Kommission als Package ab).

Ab ihrer Designierung im Juli teilt von der Leyen den einzelnen EU-Staaten die Ressorts in der künftigen Kommission zu. Das ist ihr verbrieftes Recht. Für diese Ressorts muss dann jedes EU-Land einen Personalvorschlag machen. „Dabei muss es sich nicht um einen Politiker handeln, es kann auch ein Experte sein“, sagt Obwexer.

Erfordernisse

Unbedingt erforderlich sind laut EU-Verträgen drei Eigenschaften für einen Kommissar: Allgemeine Fähigkeiten für die Ressortleitung, Einsatz für Europa, volle Gewähr der Unabhängigkeit. Obwexer: „Ein Experte aus der Arbeiterkammer oder Wirtschaftskammer würde wohl nicht als unabhängig durchgehen, Diplomaten oder hohe Beamte jedoch schon.“

In Kenntnis früherer Kommissionsbildungen rät Obwexer der Bundesregierung, ab Mitte Juli einige konsensfähige Namen an der Hand zu haben. Österreich müsse von der Leyen signalisieren, dass es kompetente Leute zur Verfügung hat, mit denen sich wichtige Ressorts besetzen lassen.

Je besser das Personalangebot und je flexibler Österreich ist, desto größer sind die Chancen auf ein wichtiges Ressort. Und das wiederum könnte Bierlein bei der Suche helfen: Sie kann ein Portfolio an drei, vier Personen zusammenstellen, die wichtige Kompetenzfelder wie Finanzen, Sicherheit, Wirtschaft etc. abdecken. Dann läge es an von der Leyen, durch die Ressortvergabe zu entscheiden, wer es wird.

Anspruchsvoll

Tatsächlich beschließen müssen die Bundesregierung und der Hauptausschuss den Kommissar erst etwa Ende August, damit die betreffende Person noch genügend Vorbereitungszeit für das anspruchsvolle Hearing im EU-Parlament hat.

Aber konsensfähige Personen zu finden – die eigentlich schwierige Aufgabe – gilt es ab sofort zu erledigen. Bierlein hat, wie ihr Büro bestätigt, bereits begonnen.

Von Sebastian Kurz bekommt Bierlein bei den Sondierungen zu hören, dass die ÖVP auf den EU-Kommissarsposten besteht. Sein Hauptargument: Die ÖVP habe die EU-Wahl haushoch gewonnen, ihr stehe der Posten zu. Kurz hat drei Namen bei der Hand: Seine beiden Spitzenkandidaten Karoline Edtstadler und Othmar Karas sowie den amtierenden Kommissar Gio Hahn. Karas hat allerdings jetzt wieder den Posten des Vizepräsidenten des EU-Parlaments übernommen.

SPÖ nennt Experten

Von den Genannten scheint am ehesten Hahn konsensfähig, aber in SPÖ und FPÖ gibt es massive Widerstände gegen einen ÖVP-Politiker als Kommissar. Sie argumentieren, dass die ÖVP den Kommissarsposten als „Erbpacht“ betrachte.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner spricht sich daher für eine Expertenbesetzung aus. Zwei Namen werden seitens der SPÖ ins Spiel gebracht: Der Ökonom Thomas Wieser, der sechs Jahre lang beamteter Leiter der Eurogruppe war. Der Spitzendiplomat Dietmar Schweisgut, der die EU in China vertritt.

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Thomas Wieser

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Dietmar Schweisgut

Sollte sich die Kategorie „Experte“ durchsetzen, hätte die ÖVP auch einige Namen aufzubieten: etwa den Kurzzeit-Innenminister Eckart Ratz für den Kompetenzcluster Sicherheit und Justiz.

 

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Eckart Ratz

Daumen rauf oder runter

Dass die FPÖ den EU-Kommissar stellt, ist unwahrscheinlich, sie strebt das auch gar nicht an. Die Blauen gefallen sich in der Rolle des Züngleins an der Waage: Sie zeigen Daumen rauf oder Daumen runter.

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