Autokratien auf Vormarsch: „Tendenzen zu sehen wäre Alarmismus“

Autokratien auf Vormarsch: „Tendenzen zu sehen wäre Alarmismus“
Politologe Fritz Plasser über illiberale Demokratien und die Tendenzen in europäischen Ländern

Der Bertelsmann-Index über die politische Entwicklung in 129 Schwellenländern und Ländern im Umbruch zeigt, dass rund 3,3 der 7,6 Milliarden Erdenbewohner in autokratischen Staaten leben – so viele wie nie seit Beginn der Erhebungen 2004. In vielen Ländern ist zudem die Demokratie bedroht: In nur mehr jedem 14. der 129 untersuchten Länder gilt die Abhaltung von Wahlen als vorbildlich, lediglich zehn Staaten verfügen über uneingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit. Der KURIER sprach mit dem Politikwissenschaftler Fritz Plasser über die Entwicklungen - insbesondere in Europa.

Die Bertelsmann-Studie sieht Rückschritte in Sachen Demokratie. Warum wählen die Menschen Politiker, die dann Freiheiten einschränken?

Ich gehe nicht davon aus, dass der Durchschnittswähler mit seiner Stimme Freiheitsrechte einschränken will. Autokratisch oder illiberal denkende Spitzenpolitiker wie Viktor argumentieren nationalkonservativ oder -populistisch und geben vor, den Kern der nationalen Identität zu schüzten. Sie gehen davon aus, dass dieser bedroht wird. Da ist es vergleichsweise leicht, Einschränkungen vorzunehmen.

Warum wollen diese Parteien überhaupt Einschränkungen der politischen Freiheiten?

Macht. Es geht um nichts anderes als die Absicherung der Macht. Es kann nie genug sein. Doch für mich stellt sich die Frage, wann der Punkt eintritt, dass das größere Bevölkerungsteile als Problem sehen. Der Punkt ist für mich unausweichlich. Nur wann er eintritt, ist unklar.

Man hat den Eindruck, dass die illiberalen Tendenzen steigen. Auch in Europa.

Mit Ausnahme von Ungarn und Polen, wo es evident ist und wo sich die EU damit auseinandersetzt –, Tendenzen zu sehen wäre Alarmismus. Ich denke, es ist nicht damit zu rechnen, dass auch in anderen Ländern Einschränkungen der Rechte zu erwarten wären.

Aber einige Regierungen scheinen sich von Orbán Strategien abzuschauen...

Ja. Vor allem Rechtspopulisten schauen von einander ab – insbesondere dieses Gefühl, dass unsere kulturelle Identität durch die Migration bedroht wird.

Hängen Populismus und Autokratie zusammen?

Ja, sehr. Der Populist sieht die Stimmung im Volk höher an als die gesetzlichen Normen – diese müssen sich in weiterer Folge anpassen. Doch das Problem ist, dass die Stimmung keine objektiv interpretierte Größe ist. Sie wird übertrieben oder vereinfacht dargestellt.

Sehen Sie die Gefahr, dass es in Europa bald mehr illiberale Demokratien gibt?

Nein. Ich weiß, dass es Stimmen gibt, die dies auch für Österreich befürchten. Aber ich sehe hier keine Anzeichen zum Abbau rechtsstaatlicher Instanzen. Vorsicht ist natürlich geboten, dafür sorgen die Beobachter des freien politischen Journalismus.

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