Angst vor militärischer Eskalation in der Ukraine
Mit den aktuellen Vorkommnissen auf der Krim erleben die ohnehin äußerst schlechten Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine einen neuen Tiefpunkt. Die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti veröffentlichte ein Kommentar eines Juristen, der sich Gedanken über "Vergeltungsschläge gegen den Terrorstaat" ( Ukraine, Anm.) machte.
In Kampfhandlungen mit ukrainischen Spezialeinheiten sind zwischen dem 6. und 8. August zwei Soldaten auf der Halbinsel Krim getötet worden. Das verlautbarte am Mittwoch der russische Geheimdienst FSB, der einen 39-jährigen Ostukrainer als Angehörigen des Militärgeheimdienstes der Ukraine und als Organisator geplanter Terroranschläge bezeichnete. Das offizielle Kiew streitet jede Verantwortung ab und erklärt den Vorfall mit Schießereien unter russischen Einheiten. "Diese Fantasien sind Vorwand für weitere militärische Drohungen gegen die Ukraine", sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Donnerstag.
"Minsker Friedensabkommen" gefährdet
Präsident Wladimir Putin selbst hatte am Mittwoch auf die Vorfälle reagiert und mit der Bemerkung für Aufregung gesorgt, dass unter diesen aktuellen Umständen Außenministertreffen im sogenannten Normandie-Format sinnlos seien. Im Februar 2015 hatten Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine in diesem Format das "Minsker Friedensabkommen" durchgesetzt.
"Wenn das Normandie-Format sinnlos ist, folgt daraus, dass auch weitere Umsetzungsversuche des Minsker Abkommens sinnlos sind? So das so sein sollte, dann bedeutet das Krieg", schrieb der prominente Moskauer Journalist Ilja Barabanow auf Facebook.
Schon länger Kampfhandlungen an Front in Ostukraine
Dass die Ukraine auf einen neuen Krieg zusteuern könnte, war aber bereits vor den Vorfällen auf der Krim diskutiert worden. Seit Ende Juni war eine deutliche militärische Eskalation entlang der ostukrainischen Demarkationslinie zu bemerken gewesen. Nach offiziellen ukrainischen Angaben haben die abtrünnigen Volksrepubliken in den letzten 6 Wochen fast 3.000 Mal ukrainische Einheiten unter Beschuss genommen, in diesem Zeitraum starben laut Kiew insgesamt 50 ukrainische Soldaten und 170 Kämpfer der Gegenseite.
Vor diesem Hintergrund wandte sich deshalb auch die Moskauer "Nowaja Gaseta" am Montag mit einem eindringlichen Friedensappell an die russische und ukrainische Öffentlichkeit: Auf elf Seiten warnte die Zeitung in ihrer Titelgeschichte, dass die Armeen der Ukraine und der selbstproklamierten Volksrepubliken für einen großen Krieg bereit seien.
Eindringliche Warnung
Es werde jedoch keinen Blitzkrieg geben und es sei mit Zehntausenden Toten zu rechnen, schrieb die Redaktion, die von 100.000 Soldaten auf ukrainischer Seite und 32.000 Soldaten auf der Gegenseite ausgeht. Da sich die Truppen nahezu vollständig aus ukrainischen Staatsbürgern zusammensetzen, würde ein "russischer Faktor" nunmehr keine bedeutsame Rolle spielen.
Von der APA befragte Experten in Kiew und Moskau sehen die Verantwortung für eine hypothetische militärische Zuspitzung jeweils auf der anderen Seite. Solange Putins Regime an der Macht sei, gäbe es auch ein Risiko einer Eskalation, erklärt der ukrainische Politikexperte Dmytro Potechin: "Abgesehen von Putins neoimperaler Politik einer Konfrontation mit dem Westen und seinen Verbündeten gibt keine Grundlage für seine Zustimmungswerte."
Der Moskauer Militärexperte Wiktor Murachowski sieht die Gefahr einer Eskalation in der Ostukraine im Zusammenhang mit unkontrollierten ukrainischen Formationen, die an der Frontlinie eigenständig agieren und den vereinbarten Waffenstillstand ignorierten. Die Truppen der Volksrepubliken von Donezk und Luhansk stünden hingegen unter besserer Kontrolle. "Diese bewaffneten Einheiten werden nie großangelegte Handlungen setzen, die von der russischen Führung nicht moralisch unterstützt werden. Und Russland braucht so eine Konfrontation absolut nicht", erklärt der Oberst in Ruhe gegenüber der APA.
Für die Vorfälle auf der Krim macht Murachowski ebenso Einheiten verantwortlich, die nur bedingt von Kiew kontrolliert werden. Eine offene Konfrontation zwischen russischer und ukrainischer Armee schließt der Militärexperte auch hier aus. Für den Fall einer Zuspitzung erachtet er jedoch russische Raketenangriffe gegen Basen jener ukrainischer Formationen für möglich, die nach Ansicht russischer Geheimdienste für bewaffnete Aktivitäten auf der Krim verantwortlich sind.
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