Attentat von Nizza: "Denke noch immer an die Schreie meines Vaters"

Attentat von Nizza: "Denke noch immer an die Schreie meines Vaters"
2016 tötete ein Mann 86 Menschen und verletzte mehr als 400. Am Montag startet der Prozess.

aus Paris Simone Weiler

Dass sie am Abend des 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, das traditionelle Feuerwerk sehen wollte, wurde Fatima Charrihi zum Verhängnis. Ihr Mann war wenig motiviert, doch die 60-Jährige überzeugte ihn, mit ihr zur Strandpromenade von Nizza zu gehen. Rund 30.000 Menschen, darunter viele Familien, tummelten sich dort – eine festliche Stimmung, die kurz nach Ende des Spektakels jäh unterbrochen wurde.

Der Tunesier Mohamed Lahouaiej-Bouhlel durchbrach am Steuer eines weißen Kühllasters die Polizei-Barrieren und raste die für den Verkehr gesperrte Straße 1,7 Kilometer entlang – mit der Absicht, möglichst viele Menschen zu überfahren, bis Polizisten ihn stoppten und erschossen. Die grausame Bilanz der mörderischen Fahrt: 86 Tote und 458 Verletzte, unter ihnen viele Kinder. Zwei Tage später bekannte sich die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zu dem Anschlag.

Ob diese wirklich involviert war, ist bis heute unklar. Das erste Opfer, wie später Video-Aufnahmen zeigten, war Fatima Charrihi. Noch an ihrer Seite rief ihr Mann die sieben gemeinsamen Kinder an, darunter Latifa Charrihi, die sofort kam. Bis heute, so erzählt die 37-Jährige, muss sie an die „Blaulichter überall im Himmel, den Geruch von Blut, die Schreie meines Vaters“ denken. Seit mehr als sechs Jahren wartet die Familie auf den Prozess um den Anschlag. An diesem Montag beginnt er im Pariser Justizpalast. Die Verhandlungen, die bis 16. Dezember dauern, werden für die Archive gefilmt und in ein Kongresszentrum in Nizza übertragen, wo die meisten Opfer und Hinterbliebenen leben. Viele der mehr als 850 Nebenkläger werden wohl in ihrer Trauer zurückbleiben, ohne Genugtuung zu erhalten. Denn der Haupttäter ist tot.

Mittäter angeklagt

Vor Gericht verantworten müssen sich eine Frau und sieben Männer, die ihm laut Anklage bei der Planung und Ausführung seiner Gräueltat unterstützt haben sollen. Drei Männern wird die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, da sie demnach von dem Vorhaben wussten – zwei von ihnen drohen Gefängnisstrafen von bis zu 20 Jahren und einem Mann lebenslange Haft. Fünf weitere Personen, die Waffen lieferten, könnten zu Strafen zwischen fünf und zehn Jahren verurteilt werden. Auch um die Motive von Lahouaiej-Bouhlel, der zum Tatzeitpunkt 31 Jahre alt war, wird es gehen, der 2005 aus Tunesien nach Nizza kam und dort eine Franko-Tunesierin heiratete, mit der er drei Kinder hatte. Das Paar lebte in Trennung, sie hatte ihn wegen Gewalt in der Ehe angezeigt.

Er galt als brutal, psychisch labil und war der Polizei wegen Diebstahl und Gewaltdelikten bekannt, nicht aber wegen Radikalisierung.

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