Afrika in Sorge: Äthiopien stellt umstrittenen Nil-Staudamm fertig

Von Heidi Wedel
Nach fast 14 Jahren Bauzeit ist der gewaltige Grand-Ethiopian-Renaissance-Dam, kurz „GERD“, in Äthiopien fertiggestellt. Das Großprojekt ist eines der umstrittensten Vorhaben Afrikas. Am Donnerstag gab Premierminister Abiy Ahmed das Ende der Bauphase vor dem Parlament in Addis Abeba bekannt.
Die offizielle Einweihung soll im September stattfinden. Der Damm, so Abiy Ahmed, soll für die flussabwärts gelegenen Nachbarländer Sudan und Ägypten „keine Bedrohung“, sondern eine „gemeinsame Chance“ sein. Die beiden Länder befürchten nämlich, dass es durch den Staudamm zu landwirtschaftlichen Problemen, etwa Wasserknappheit, kommen kann.
Ägypten und Sudan fürchten um ihre Wasserversorgung
Der Staudamm, der anfangs „Projekt X“ genannt wurde, liegt im Westen Äthiopiens, etwa 40 km von der Grenze zum Sudan entfernt. Mit einer Höhe von 145 Metern und einer Länge von 1,8 Kilometern zählt er zu den größten Staudämmen Afrikas. Die elektrische Leistung beträgt um die 5.000 Megawatt.
Für Äthiopien ist der Damm ein zentrales Infrastrukturprojekt, in den Nachbarländern sorgt er aber auch für scharfe politische Spannungen. Seit dem Baubeginn im Jahr 2011 haben insbesondere der Sudan und Ägypten wiederholt ihre Bedenken geäußert, der Staudamm könnte ihre Wasserversorgung gefährden.

Der Nil ist für Ägypten eine lebenswichtige Ressource – bis zu 85 Prozent des Trinkwassers stammen aus dem Blauen Nil, der seinen Ursprung in Äthiopien hat. Ägypten und der Sudan berufen sich bei ihren Beschwerden auf historische Abkommen aus den Jahren 1929 und 1959. Sie haben dabei auch Anspruch auf bestimme Wassermengen aus dem Nil erhalten.
Doch bei den Abkommen wurde Äthiopien nie einbezogen. Es gab einige Zeit später von den flussaufwärts gelegen Ländern den Versuch, ein neues Abkommen auf die Beine zu stellen.
Vermittlungsversuche bisher ohne Erfolg
Äthiopien entgegnet den Anschuldigungen, indem es sich auf das Recht zur Nutzung seiner Ressourcen beruft. Mehrere Vermittlungsversuche, zum Beispiel durch die Afrikanische Union oder die USA, konnten bisher kein verbindliches Abkommen zur Nutzung des Staudamms erreichen.
Sogar der Sudan hat versucht, die Rolle des Vermittlers einzunehmen, doch im Laufe der Zeit hat sich die Einstellung an jene Ägyptens angeglichen. Im Jahr 2021 haben die beiden Staaten den Uno-Sicherheitsrat gebeten, einen Durchbruch zu vermitteln, das blieb jedoch ohne Erfolg.
Anlass des Bauprojekts
Der Bau des Grand-Ethiopian-Renaissance-Dam ist für Äthiopien ein zentrales Projekt, um die Energieversorgung im Land massiv zu verbessern. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung haben nämlich keinen verlässlichen Zugang zu Strom. Der Staudamm soll daher nicht nur das nationale Stromnetz stärken, sondern auch Stromexporte ermöglichen, um benötigte Einnahmen zu erwirtschaften.
Für Premierminister Abiy Ahmed - der als sehr umstritten gilt, da er trotz seiner Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis 2019 mit militärischer Härte gegen die Region Tigray vorgegangen ist und zunehmend autoritär regiert - ist das Projekt auch innenpolitisch bedeutsam. Er präsentiert es als Symbol für Fortschritt und nationale Souveränität.

Foto des Nils im Süden des Sudans.
Die Spannungen versuchte Ahmed zu entschärfen, indem er in seiner Rede am Donnerstag betonte, dass das Projekt „GERD“ nicht als Mittel politischer Machtstellung verstanden werden solle. Dennoch bleibt das Misstrauen groß, denn gerade in Trockenphasen oder bei technischem Versagen befürchten Kritiker, dass die Wassermengen flussabwärts drastisch schwanken könnten und dadurch landwirtschaftliche Schäden oder Wasserknappheit entstehen könnten.
Technisch gesehen ist der Bau des Damms abgeschlossen, doch der politische Konflikt gilt jedoch keineswegs als beendet. Sollte die Nutzung des Damms dazu führen, dass in Ägypten oder dem Sudan tatsächlich Wasserknappheit herrscht, wäre ihre Beziehungen stark belastet und es könnte sogar als Kriegsgrund angesehen werden.
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