25 Jahre EU-Beitritt: Was wäre ohne EU?
Hand aufs Herz - wie oft denken wir darüber nach, dass wir vor gar nicht allzu langer Zeit noch mehrere Stunden Stau an der Grenze nach Italien in die Urlaubsplanung aufnehmen mussten? Wie praktisch - immerhin mussten wir ja noch zur Wechselstube, um Schilling in Lira umzutauschen. Und das manchmal mit ärgerlichen Verlusten.
Die Autorin fragte in sozialen Medien nach, welche Vorteile der EU die Österreicherinnen und Österreicher am meisten vermissen würden, wenn Österreich nie Teil der Union geworden wäre. Wären Ihnen noch welche eingefallen?
Grenzenlose Kommunikation
Vom Urlaub in Italien nachhause telefonieren, die wöchentlichen Updates des Sohnes, der in Spanien studiert. Oder die SMS von der Dienstreise aus Frankfurt. Wer keinen Spezialtarif hatte, konnte am Ende des Monats schon das eine oder andere böse Erwachen haben, wenn die Handyrechnung ins Haus flatterte. Doch die Zeiten sind vorbei.
Eine der jüngsten Errungenschaften der EU ist das Ende der Handy-Roaming-Gebühren von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Wer z.B. mit einer österreichischen SIM-Karte in der EU telefoniert – etwa von Tschechien nach Gmunden – muss seit Juni 2017 keine Zusatzgebühren mehr bezahlen. Auch das Roaming bei den mobilen Daten ist seither Geschichte.
Kürzlich wurde schließlich die letzte Kostenfalle beim Telefonieren beseitigt: Das Anrufen von einem Festnetztelefon ins EU-Ausland war seit Ende des Roamings unverhältnismäßig teuer, auch galten etwa Anrufe aus Österreich ins EU-Ausland (mit einer österreichischen SIM-Karte) nicht als Roaming und konnten teuer werden. Seit Mai dürfen Gespräche ins EU-Ausland maximal 23 Cent pro Minute kosten, SMS sieben Cent.
Gemeinsame Währung
Die Angebote von Wechselstuben vergleichen, immer genügend Lira oder Drachmen mitnehmen. Das mühsame Geldwechseln hatte mit der Einführung des Euro – zumindest in den Staaten der Eurozone – endlich ein Ende. Der Euro wurde am 1. Jänner 1999 als Buchgeld und drei Jahre später als Bargeld eingeführt.
Wäre Österreich der Währungsunion nie beigetreten, hätten wir uns möglicherweise eine eigenständige Wechselkurs- und Zinspolitik erhalten. Allerdings müsste die Notenbank den Kurs der EZB ohnehin passiv mittragen. Mit der Selbstbestimmung ist es also nicht so weit her.
Auch wenn manche glauben, der Euro machte das Leben teurer (was nicht ganz stimmt - siehe Punkt 6): 7 von 10 Österreichern können sich ein Leben ohne Euro nicht mehr vorstellen – und liegen damit knapp unter dem EU-Durchschnitt (76% Zustimmung).
Einfaches Reisen
„In den Medien reden sie immer davon, dass die Grenzkontrollen innerhalb der EU im Zuge der Flüchtlingswelle ,wieder’ aufgenommen worden sind“, sagt der 22-Jährige Andreas B. aus Tirol. „Für mich ein riesiger Rückschritt, denn seit ich denken kann, hat es diese Grenzen nicht gegeben. Für mich sind sie völlig neu.“
Junge Menschen in Österreich sind ohne Grenzen aufgewachsen. Staus in Arnoldstein, Nickelsdorf oder Kufstein kannten sie maximal aus Erzählungen. Sie passieren Grenzen und merken es nicht einmal. Rechtliche Grundlage für diese Freiheit sind die drei Schengener Abkommen (für Österreich ab1998), die für die Unterzeichnerländer die Personen- und Zollkontrollen abschafften, um den Binnenmarkt voranzutreiben.
„Wir sind gerade unterwegs von Wien auf die Fähre Venedig-Patras“, schreibt Lena D. „Die Grenze zu Italien war ein Schild. Das ist für mich EU: grenzenlos.“
Studieren ohne Grenzen
„Sobald Österreich der EU beigetreten ist, bin ich losgezogen“, erinnert sich Christina P., die von 1996 bis 2006 in London studiert und gearbeitet hat. „Eine Erfahrung, die mich nachhaltig geprägt und viel mutiger und weltoffener gemacht hat.“
Mit dem Bildungsprogramm Erasmus+ reisen jedes Jahr Tausende EU-Bürger in andere Mitgliedstaaten, um dort zu lernen und zu studieren. Österreicher können seit 1992 an Erasmus-Programmen teilnehmen. Im ersten Jahr taten das 893 Studierende aus Österreich, mittlerweile sind es mehr als zehnmal so viele pro Jahr. Insgesamt haben europaweit rund neun Millionen Menschen die Mobilitätsprogramme von Erasmus+ in Anspruch genommen, etwa die Hälfte davon Hochschulstudenten – der Rest Lehrende, Auszubildende und Freiwillige.
Christina P. hat übrigens bei der Volksabstimmung 1994 gegen einen EU-Beitritt gestimmt. „Ich kann es mir bis heute nicht erklären. Und Gott sei Dank haben genug andere dafür gestimmt!“
Arbeiten, wo man will
„Wäre Österreich nicht in der EU, ich hätte nie hier zu arbeiten angefangen“, glaubt Katy W. aus Großbritannien. Sie hatte im Jahr 2000 nach einem spontanen Wochenende in Wien plötzlich ein Jobangebot. „Ich konnte hier herziehen und arbeiten, ohne viel dabei nachzudenken.“ Sie lebt nach wie vor in Wien.
Zentraler Bestandteil der EU ist der gemeinsame Europäische Binnenmarkt. Untrennbar mit ihm verbunden sind Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Ein Unionsbürger kann sich für Jobs in allen anderen Mitgliedstaaten bewerben und diese annehmen, genausogut kann er in allen Mitgliedstaaten ein Unternehmen gründen. Freilich wäre es für österreichische Staatsbürger auch ohne EU-Beitritt möglich gewesen, in einem anderen europäischen Staat zu arbeiten. Doch mit einem unverhältnismäßig höheren bürokratischen Aufwand.
Erst mit dem Brexit sei ihr klar geworden, worüber sie sich Gedanken machen muss, sagt Katy W. – für die Britin ist der Austritt Realität geworden.
Freie Fahrt für Waren
Die Teilnahme am EU-Binnenmarkt hat in Österreich dazu geführt, dass um 124 Prozent mehr in die andere EU-Staaten exportiert wird als davor. Die Abschaffung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen hat wiederum die Importe billiger gemacht. Das hat dazu geführt, dass das Preisniveau heute um 2,4 Prozent niedriger liegt als es ohne EU-Beitritt wäre. Das reale Bruttoinlandsprodukt ist heute um 16 Prozent höher, als es ohne EU-Mitgliedschaft wäre, rechnet das Institut für Wirtschaftsforschungs (Wifo) kürzlich vor. 1.000 Schilling (73 Euro), so das Versprechen vor dem EU-Beitritt, würde die Mitgliedschaft jedem Österreicher bescheren. Laut Wifo soll es sogar mehr sein.
Ein „Öxit“ würde den Außenhandel bremsen, speziell bei Klein- und Mittelbetrieben. Sinkende Exporte bedeuten weniger Produktion, Wachstum und Beschäftigung.
Politikwissenschaftlerin und Brexit-Expertin Melanie Sully auf die Frage des KURIER, was die größten Verluste bei einem Austritt Österreichs wären: „Was man verlieren würde, hinge vom Austrittsabkommen ab.“
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