1989: Wie die Tschechen den Kommunismus rausklingelten

Vaclav Havel auf dem Wenzelsplatz, November 1989
Im November 1989 beginnt die Wende in der Tschechoslowakei. Das Regime versucht, den Umbruch mit Gewalt aufzuhalten, lenkt aber rasch ein.

In Ungarn war das Ende des Kommunismus längst eingeleitet, in Polen saß das Regime mit der Opposition an einem Tisch  Nur in Prag regierten 1989 noch immer jene kommunistischen Betonköpfe, die 1968 nach der Niederschlagung des Prager Frühlings an die Macht gelangt waren. Die ersten Kundgebungen zu Beginn des Jahres hatte das Regime noch niedergeknüppelt. Doch bald ließ sich der Geist der Wende nicht mehr zurück in die Flasche stopfen. Noch saßen Dissidenten wie Vaclav Havel im Gefängnis, bald sollten sie in der Prager Burg einziehen.

Erinnerung an den Prager Frühling

Im Jänner 1989 fanden Kundgebungen zum 20. Todestag von Jan Palach statt. Der Student hatte sich im Jänner 1969 aus Protest gegen den Einmarsch des Warschauer Paktes öffentlich selbst verbrannt. Die friedlichen Demonstrationen werden von Polizei und Volksmilizen mit brutaler Gewalt aufgelöst. Hunderte Menschen werden inhaftiert, darunter auch der Schriftsteller und Oppositionelle Vaclav Havel.

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Street Art in Prag, Erinnerung an Jan Palach

 

Nur ein paar Sätze

Die Menschen reagieren auf die Gewalt mit weiteren Kundgebungen. Es wird eine Palach-Woche ausgerufen, in der Tag für Tag Kundgebungen auf dem Prager Wenzelsplatz stattfinden. Als die Polizei erneut zuschlägt, formuliert die oppositionelle Bürgerbewegung Charta 77 die Petition „Ein paar Sätze“. Darin werden Meinungsfreiheit, Bürgerrechte und ein Ende der Gewalt gefordert. 40.000 Menschen unterschreiben.

Der Papst und die Kirchen

Papst Johannes Paul II. spricht am 12. November Agnes von Böhmen heilig. Es ist wie so oft bei Johannes Paul ein bewusster politischer Akt. Die Zeremonie wird im Fernsehen übertragen. Kirchliche Gruppen werden aktiv und fordern in Deklarationen die Zulassung demokratischer Parteien auf der Grundlage christlicher Werte.

Streik auf der Theaterbühne

Eine Großdemonstration in Bratislava am 16. November lässt das Regime wider Erwarten ungehindert ablaufen. Als aber am nächsten Tag 15.000 Menschen in Prag auf die Straße gehen, schlägt die Polizei erneut zu. Als Reaktion auf die Gewalt wird an den Universitäten und den Theaterbühnen der Streik ausgerufen. Ein Generalstreik folgt.

Das Schlüsselkonzert

Die Demonstrationen reißen nicht mehr ab, werden immer größer und greifen schließlich auf das ganze Land über. Schließlich stehen allein in Prag 100.000 Menschen auf der Straße. Sie klingeln mit ihren Schlüsselbünden, um so das Regime herauszuläuten.

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In Tschechien wird das Bürgerforum OF gegründet, in der Slowakei die Öffentlichkeit gegen Gewalt, VPN. Sie bieten der Staatsführung Verhandlungen an.

Kampflose Kapitulation

Nachdem Staatspräsident Gustav Husak schon am 25. November Amnestie für politische Häftlinge angekündigt hat, um die Lage zu beruhigen, beginnt er am Tag darauf Verhandlungen mit den Regimegegnern. Am 29. November verzichtet die Kommunistische Partei auf ihren Führungsanspruch. Schon zwei Tage zuvor ist das gesamte Politbüro zurückgetreten.

Die Grenze geht auf

Am 5. Dezember wird der Stacheldraht an der Grenze zu Österreich entfernt, am 11. Dezember an der Grenze zu Deutschland.  

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Der tschechische Außenminister Jiri Dienstbier und sein deutscher Kollege Hans Dietrich Genscher

 

Der Schriftstellerpräsident

Am 10. Dezember wird erstmals eine nichtkommunistische Regierung unter Marian Calfa ernannt. Husak reicht seinen Rücktritt ein. Am 28. Dezember wird Alexander Dubcek, einst Leitfigur des Prager Frühlings 1968, Vorsitzender des Parlaments. Am 29. Dezember wählt das Parlament Vaclav Havel zum Staatspräsidenten.

Die Hauptfiguren der Revolution

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Marian Calfa (links)

 

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Havel mit dem kommunistischen Staatspräsidenten Gustav Hussak

 

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1989: Wie die Tschechen den Kommunismus rausklingelten

Jiri Dienstbier mit Alois Mock

 

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