„Ohne Kapitalmarktunion bleibt Europa im Nachteil“

Friedrich Mostböck
Friedrich Mostböck, Head of Group Research bei Erste Group und Präsident der EFFAS, warnt vor Überregulierung und fehlender Integration.

Europas Kapitalmärkte stehen unter Druck: Geopolitische Spannungen und US-amerikanische Einflussversuche sorgen für Unsicherheit. Friedrich Mostböck, Head of Group Research der Erste Group und Präsident des europäischen Dachverbandes EFFAS, sieht in der Spar- und Investitionsunion große Chancen.

KURIER: Wie gefährlich sind Trumps Attacken auf die US-Notenbank für die Stabilität der US-Märkte?

Friedrich Mostböck: Beim weltweit größten Kapitalmarkt hat erratisches Eingreifen Auswirkungen auf innere wie äußere Wahrnehmung. Jede Notenbank eines entwickelten Marktes hat ein unabhängiges Mandat. Selbst wenn nur der Anschein versuchter Einflussnahme erweckt wird, hat das einen negativen Beigeschmack. Vertrauen, Stabilität, Transparenz mit nachvollziehbaren Verantwortlichkeiten spielen an Finanzmärkten eine große Rolle.

Inwiefern lenken die großen Unsicherheiten in den USA Anlegerströme in Richtung Europa? 

Anhand globaler Zahlungsströme in der Aktienveranlagung ist deutlich erkennbar, dass es aufgrund oben erwähnter Faktoren zu einem Shift zugunsten europäischer Märkte gekommen ist, da hier ganz offensichtlich von höherer Finanzmarkt-Stabilität ausgegangen wird. Fast alle Werte haben profitiert, da sie auch vergleichsweise unterbewertet sind. Wenn es erratisch bleibt und eine notwendige Unabhängigkeit nicht gewährleistet ist, werden europäische Märkte weiter profitieren.

Europa kann mit den USA am Kapitalmarkt nicht mithalten. Wo liegen hier die größten Defizite? 

Die „Kapitalmarktunion“ wurde nun auf „Spar- und Investitions-Union“ umgetauft. Leider gibt es außer der Namensänderung unmittelbar noch keine Änderungen. Europäische Kapitalmärkte sind zu unterschiedlich, es müssen Barrieren abgebaut und Konformität in der Veranlagung hergestellt werden. Ein zentrales Hindernis sind überbordende Regulierungen. Mit MiFID wurden die Kapitalmärkte in Europa klar benachteiligt. Viele börsennotierte Unternehmen haben dadurch an Analysten-Coverage verloren. Statt bestehende Regeln zu korrigieren, versucht man in Europa, sie mit neuen Regeln besser zu machen – ein Teufelskreis. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es daher dringend Deregulierung und gezielte Anpassungen.

Würde eine echte Kapitalmarktunion Investoren und Unternehmen in Europa spürbare Vorteile bringen und wie realistisch ist deren Umsetzung in absehbarer Zeit?

Die EU und ihre Behörden haben sich aus meiner Sicht klar zur Neupositionierung als „Spar- und Investitions-Union“ verpflichtet. Nur müssen auf Ankündigungen nun auch Taten folgen. Tatsächlich hat man in Aussicht gestellt, bestehende Markt-Hindernisse abzubauen, um international wettbewerbsfähig und investierbar zu bleiben. Nur gesehen haben wir davon in der EFFAS wie in anderen europäischen Verbänden noch wenig.

Wie beeinflussen Geopolitik und Handelskonflikte die Bewertung von US- und Europa-Anlagen? 

Besonders betroffen sind stark export- und konsumorientierte Branchen wie der Automobilsektor. Finanzwerte sind in Europa hingegen höher gewichtet, weniger belastet und verfügen über Aufholpotenzial. Die US-Politik wirkt sich auf die Bewertung europäischer Märkte nur begrenzt aus, da diese insgesamt nach wie vor vergleichsweise unterbewertet sind.

Können Europas Börsen und Unternehmen langfristig von der Verunsicherung in den USA profitieren, oder sind die strukturellen Risiken ohne Integration am Ende größer? 

Halten die Irritationen und die Verunsicherung an, könnten europäische Märkte kurzfristig profitieren. Entscheidend wäre jedoch, die Integration der Finanzmärkte entschlossen voranzutreiben und strukturelle Hürden transparent sowie nachvollziehbar abzubauen. Damit ließe sich die Absicherung unseres Wohlstands in Europa deutlich stärken – das Potenzial wäre in Wahrheit enorm.

In Ihrer Funktion als Präsident der EFFAS: Welche Reformen halten Sie für besonders dringlich, damit Europa für internationales Kapital an Attraktivität gewinnt? Wesentlich sind drei Punkte: eine MiFID-Überarbeitung, die Förderung grenzüberschreitender Veranlagungen in der EU und der Ausbau europäischer Pensionskassen und privater Vorsorgemodelle. Nur so lassen sich die Energie-Transformation, eine langfristige Pensionssicherung und höhere Verteidigungsausgaben finanzieren.

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