Coronavirus-Maßnahmen: Der Vier-Punkte-Plan im Detail

Coronavirus-Maßnahmen: Der Vier-Punkte-Plan im Detail
Regierungsspitze verkündete drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit. Das öffentliche Leben in Österreich wird sich massiv verändern.

Einreisestopp aus Italien, Uni-Schließungen und Veranstaltungsverbote – das öffentliche Leben das Landes wird in den nächsten Wochen weitgehend zum Erliegen kommen.

Im Kampf gegen das Coronavirus trat am Dienstag die Regierungsspitze mit Bundeskanzler Sebastian Kurz, Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) vor die Medien und richtete einen drastischen Appell an die Öffentlichkeit: Die Österreicher sollen ihre sozialen Kontakte einschränken. Plötzlich steht jede Geburtstagsfeier auf dem Prüfstand, wird in Unternehmen Homeoffice zur empfohlenen Praxis. Die Maßnahmen kamen nach langen Diskussionen um Veranstaltungsabsagen, Fieberchecks am Flughafen und Schulschließung nicht überraschend, sind aber doch einschneidend.

Konkret geht es darum, die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen bzw. zu verlangsamen. Denn die Zahl der Infizierten ist mit 182 im Vergleich zu anderen Ländern zwar nicht sehr hoch, doch die starken Zuwachsraten würden nun laut Kurz rasches Handeln notwendig machen. Tatsächlich gab es vor einer Woche erst 22 Infizierte. Das Ziel ist es, Zeit zu gewinnen – für die Entwicklung eines Impfstoffes oder zumindest bis zum Ende der Grippesaison.

Leben eingeschränkt

Dass die Regierung damit massiv in das Leben der Österreicher eingreift, ist den Verantwortlichen bewusst. Gesundheitsminister Rudolf Anschober sprach sogar von „generellen Verhaltensänderungen“, die notwendig würden. Auch der Kanzler sieht die Eigenverantwortung der Österreicher, die nun ihr soziales Leben umkrempeln müssen. 

Es gehe vor allem darum, ältere Mitmenschen zu schützen, betont er. Bei ihnen nimmt eine Coronavirus-Erkrankung tatsächlich einen weit schwereren Verlauf als bei Jungen. Menschen zwischen 14 und 30 Jahren wiederum gelten als Hauptüberträger der Krankheit.

Letztendlich, betonte das Trio, werden diese Maßnahmen im Kampf gegen das Virus nicht die letzten sein.

Das Maßnahmenpaket der Regierung gegen den Coronavirus

Einreisestopp aus Italien

Am Dienstag kündigte die Regierung einen Einreisestopp für Menschen aus Italien an. Sie dürfen die Grenze nur passieren, wenn sie ein ärztliches Attest bei sich führen – oder sie müssen damit rechnen,  14 Tage in Quarantäne genommen zu werden. Eine Durchreise ist zwar möglich, allerdings nur, wenn die Reisenden keinen Zwischenstopp in Österreich einlegen. Auch die Flüge und Züge aus Italien sollen laut Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) eingestellt werden.  Der Güterverkehr bleibt aufrecht, beim Personal werden aber Gesundheitschecks durchgeführt.

Jene Österreicher, die sich derzeit noch in Italien befinden, werden aufgerufen, nach Hause zu fahren. Sie dürfen auch weiterhin einreisen, müssen jedoch danach für zwei Wochen in Heimquarantäne. Derzeit wird die Heimholung der Betroffenen organisiert. Wer etwa mit dem Auto unterwegs ist, soll unverzüglich zurückfahren.

Für jene, die nicht selbstständig nach Österreich reisen können, wird ein Heimtransport organisiert. Das kann entweder ein Flug von Rom oder Venedig sein oder eine Busfahrt von Norditalien. Betroffene müssen jedoch mit einer Kostenbeteiligung rechnen. 

Warum diese Maßnahme?
Zahlreiche Krankheitsfälle in Österreich wurden bei Italien-Rückkehrern verzeichnet. Das heißt, die Menschen hatten sich in  der Krisenregion – wo am Dienstag 9.197 Infizierte und 463 Todesfälle offiziell bekannt waren – infiziert.   Mit der drastischen Maßnahme soll also die Einschleppung des Virus aus Italien unterbunden werden.

Veranstaltungen werden abgesagt 

Dienstagnachmittag reihte sich Absage an Absage. Im Rahmen des Maßnahmenpakets verkündete die Regierung, dass bis Anfang April Veranstaltungen ab 100 Teilnehmern untersagt werden. Für Events, die im Freien stattfinden, gilt das Verbot ab einer Teilnehmerzahl von 500 Personen.

Damit kommt das kulturelle Leben des Landes zu einem abrupten Halt. Denn betroffen sind nicht nur Großveranstaltungen und Messen, das Verbot trifft auch Theateraufführungen, Konzerte und Kinobesuche (pro Vorstellung werden nur noch weniger als  100 Karten verkauft). Sportveranstaltungen müssen   abgesagt oder verschoben werden, es sei denn, sie finden ohne Zuschauer statt. Unklar war zunächst noch, ob auch Clubs und Diskotheken betroffen sind, denn der Erlass des Gesundheitsministeriums war Dienstagabend noch nicht im Detail ausgearbeitet und lag bis Redaktionsschluss nicht vor.

Unberührt von den Vorgaben der Regierung sind  Restaurants, Schließungen sind aktuell nicht angedacht. Umsetzen müssen diese Vorgaben die Veranstalter. Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober sind diese  bereit, auf Events zu verzichten.  Kontrollieren soll die Maßnahmen laut Innenminister Karl Nehammer  die Polizei. „Nicht zu verhindern, dass sich eine Epidemie ausbreitet, ist ein Straftatbestand“, hält er fest. 

Warum diese Maßnahme?
Die Verantwortlichen hoffen, mit den Verboten die Verbreitung des Virus zu verhindern. Denn hat ein Infizierter mit einem Gesunden länger als 15 Minuten engen Kontakt (also unter zwei Metern Abstand), kann sich das Virus übertragen.

(Hoch-)Schulen werden geschlossen

Die ersten Universitäten stellten ihren Betrieb bereits am Dienstag ein, andere folgen. Spätestens ab Montag sollen an den Österreichischen Universitäten und Fachhochschulen keine Lehrveranstaltungen mehr stattfinden. Der Unterricht soll in den nächsten Wochen via Fernlehre abgewickelt werden – also online über den PC. Betroffen von den Sperren sind auch die Bibliotheken, teilweise werden Sponsionen und Prüfungstermine verschoben.

Zudem gab die Stadt Wien bekannt, dass  der Lehr- und Universitätsbetrieb im AKH auf ein absolutes Minimum reduziert wird. Damit soll das Krankenhaus als „wertvolle Struktur“ geschützt werden. Selbiges gilt für die Pflegeberufsausbildung.

Sperren von Pflicht- und Höheren Schulen könnten folgen. Dafür braucht es laut Bundeskanzler Sebastian Kurz allerdings  gute Vorbereitung: die Betreuung der Kinder muss sichergestellt werden. Denn Jugendliche gelten als Hauptüberträger für das Virus, sie sollten daher nicht von den Großeltern betreut werden – denn Ältere gelten  als Risikogruppe.  Weil das die Kinderbetreuung noch schwieriger macht,  sollten die Sperren laut Kurz  nicht lange andauern. 

Warum diese Maßnahme?
Die ersten Fälle von Coronavirus-Erkrankungen traten bei Studenten der Uni Innsbruck auf. Glücklicherweise waren gerade Semesterferien. Das Problem: An den Unis studieren 35.000 Menschen aus dem Ausland, auch viele österreichische Studenten waren in Italien auf Urlaub.
 Da Junge Hauptüberträger sind, müssen soziale Kontakte beschränkt werden. 

Menschen sollen weniger ausgehen

Die Regierung appelliert auch an die Eigenverantwortung der Bevölkerung. „Jetzt ist der Zeitpunkt für einschneidende Maßnahmen und eine generelle Verhaltensänderung“, formuliert es Gesundheitsminister Rudolf Anschober drastisch. Die Österreicher sind aufgerufen, ihre sozialen Kontakte zu reduzieren, man könne sich etwa die Frage stellen, ob man wirklich jeden Tag einkaufen gehen müsse, meint Anschober. Geburtstagsfeiern, Veranstaltungsbesuche, Shoppingausflüge – die Menschen sollen sich fragen, ob sie diese tatsächlich wahrnehmen müssen.

Damit würden jüngere Menschen dafür sorgen, dass Ältere geschützt werden, meint Bundeskanzler Kurz. Dazu wurde erneut gemahnt, die Hände zu waschen, dieselbigen nicht mehr zu schütteln und sich nicht ins Gesicht zu fassen.

Unternehmen sollten es ihren Mitarbeitern ermöglichen, von zu Hause aus zu arbeiten. „Wo es machbar ist, ist das ein sinnvoller und richtiger Schritt“, erklärt Kurz. 
Gewisse Infrastruktureinrichtungen könnten allerdings nicht gesperrt werden. Etwa die öffentlichen Verkehrsmittel. Die Bevölkerung sei auf sie angewiesen. In Wien rief Gesundheitsstadtrat Peter Hacker dazu auf, auf Besuche in Spitälern und Pflegeeinrichtungen zu verzichten.

Warum diese Maßnahme?
Wie bei den meisten Maßnahmen geht es bei dem Appell zu Eigenverantwortung um die Reduktion von sozialen Kontakten. Das Virus kann sich damit nicht mehr so schnell verbreiten.

Coronavirus: Das denken die Österreicher

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