Experte erklärt, warum wir Schnäppchen lieben
Mehr Auswahl, mehr Rabatte, mehr Zufriedenheit – in der Welt des Konsums gelten gefüllte Warenkörbe als Triumph und die Rabatte als Glücksformel. Doch während wir auf Schnäppchenjagd sind, stellen wir uns viel zu selten die Fragen: Wer treibt hier eigentlich wen an? Sind wir die Jäger oder doch eher die Gejagten?
Emotionen
„Einkaufsfeste“ wie Valentinstag, Muttertag oder Black Friday sind keine zufälligen Termine, sondern strategische Hebel, um uns in Kauflaune zu versetzen. Hinter ihnen verbirgt sich oft sozialer Druck: Wer keinen Liebesbeweis schenkt oder nicht am neuesten Schnäppchenrausch teilnimmt, riskiert, außen vor zu bleiben. Jedes neue Objekt, das wir kaufen, löst eine Reihe von Emotionen in uns aus. Das weiß die Werbeindustrie zu nutzen und lädt diese Produkte
mit vielen Gefühlen auf. Josef Sawetz, Kommunikations- und Marketingpsychologe an der Universität Wien, erklärt: „Wir kaufen keine Dinge, wir kaufen Emotionen.“ Die Werbeindustrie und der Handel wissen genau, welche Knöpfe sie drücken müssen, um in unser Unterbewusstsein vorzudringen (mehr dazu im Kasten links).
Jagdfieber
Konsum aktiviert in unserem Gehirn evolutionär tief verankerte Mechanismen. Ein Rabatt weckt Urinstinkte, ein neuer Besitz vermittelt Sicherheit und Kontrolle, während Sonderangebote uns die Illusion geben, klüger und erfolgreicher eingekauft zu haben. „Es ist eine rauschhafte Situation. Mit jedem erfolgreichen Einkauf schüttet unser Gehirn Dopamin aus, das uns euphorisch macht und lebendig fühlen lässt. Es aktiviert den Jagdtrieb“, so Sawetz.
Doch nicht aufgepasst, wird der Jäger schnell zum Gejagten. Circa 400 Millionen Euro wollen die Menschen in Österreich heuer rund um den Black Friday ausgeben, das zeigt der Handelsverband-Consume-Check. Obwohl viele Menschen glauben, durch vermeintliche Schnäppchen gespart zu haben, ist die Gefahr von Impulskäufen gerade im Rahmen solcher Rabattaktionen besonders hoch. So kann man schnell den (finanziellen) Überblick verlieren. „Vor allem die jüngere Zielgruppe gilt als sehr konsumfreudig, da sie noch nicht so viel Besitz angehäuft hat“, warnt der Experte.
Gläserner Mensch
Eine rationale Kaufentscheidung, frei von äußerlicher Beeinflussung, zu treffen, ist heutzutage fast unmöglich – besonders durch die Möglichkeiten, die sich der Werbeindustrie online eröffnen. „Je mehr man sich in der digitalen Welt bewegt, desto gläserner wird man. Jedes unserer Bewegungsmuster, das wir im Internet hinterlassen, wird als Datensatz aufgenommen und analysiert. Die Marktforschung hatte noch nie so umfassende und günstige Möglichkeiten, einen Markt und eine Bevölkerung zu durchleuchten“, erklärt Sawetz.
Planen und reflektieren
Impulskäufe gilt es daher zu vermeiden. Laut dem Experten sind dafür vor allem Reflexion und Planung entscheidend. „Es hilft, sich vorab zu fragen: ‚Brauche ich das wirklich, oder bin ich Opfer einer Suggestion?’ Und genaue Preisvergleiche und stetiges Preismonitoring zeigen, ob der Rabattpreis tatsächlich ein Schnäppchen ist.“ Auch das Setzen klarer Ziele kann vor dem Kaufrausch schützen.
Deals
Aber ist wirklich alles schlecht an Rabattaktionen wie dem Black Friday, Herr Dr. Sawetz? „Nein, wenn man sich vorher genau überlegt, was man will und ob man es wirklich braucht, kann man sehr gute Deals machen.“
Denn: Sich selbst oder anderen etwas zu gönnen, muss erlaubt sein. Aber Einkäufe, die das Resultat von sozialem Druck oder künstlicher Verknappung sind, machen – langfristig gesehen – nur selten glücklich.
Zum Shoppen verführt - die gängigen Tricks des Handels
Unsere Kaufentscheidungen sind selten rein rational – vielmehr sind sie das Ergebnis einer Verführung, die auf sozialen, emotionalen und psychologischen Mechanismen basiert. Der Handel hat es verstanden, diese Mechanismen zu nutzen. Neben klassischen Tricks wie stetige Preiserhöhungen in den Monaten vor Rabattaktionen, sind laut Josef Sawetz vor allem drei Faktoren entscheidend. Zum einen gehe es darum, die Begehrlichkeit zu erhöhen. Dies geschieht durch zeitliche und mengenmäßige Limitierung von Artikeln (z. B.: „Nur mehr fünf Stück verfügbar“). Außerdem gilt es Schwellen zu senken, beispielsweise durch eine verlängerte Rückgabefrist. Zuletzt geht es um das Personalisieren. Werbung kann inzwischen mithilfe von künstlicher Intelligenz und den Daten, die wir im digitalen Raum hinterlassen, nicht nur auf genaue Zielgruppen, sondern Einzelpersonen zugeschnitten werden.
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