Um den Traunsee und ins Almtal
Überbordende Touristenströme haben jüngst in Teilen Europas zu scharfen Protesten der jeweils betroffenen Bevölkerung geführt. Ein neues Schlagwort namens Overtourism war geboren und macht seither die Runde, mit allen damit verbundenen Schattenseiten: Lärm, Müll, dreisten Preissteigerungen und unangemessenem Verhalten der Touristen.
Wer da nicht mittun will, hat also die Wahl: Entweder daheim zu bleiben und auf Balkonien die angeblich schönste Zeit des Jahres zu verbringen – oder Orte und Regionen anzusteuern, die nicht unter diesem, zugegeben, unglaublich grauslichen Massenphänomen leiden.
Spätestens jetzt kommt das östliche Salzkammergut rund um den Traun- und Almsee ins Spiel, das sich dem Tourismus – schon vor Jahrzehnten – zwar geöffnet, ihm sich aber nicht bedingungslos unterworfen hat. Anders gesagt: Es ist der kleinen Region gelungen, was vielen anderen Fremdenverkehrsgebieten leider nicht vergönnt war: Die Schönheit der Landschaft den Gästen zu erschließen – und sie dennoch zu bewahren.
Es ist immer einigermaßen gefährlich, Klischees zu bemühen, zumal solche, die unverwüstlich erscheinen. Und doch: Im Zielgebiet angekommen, eröffnet sich dem Reisenden eine wie von vifen Marketingleuten inszenierte Bilderbuchlandschaft mit blauen Seen, hohen Bergen und dunklen Forsten.
Als Einstieg bietet sich Gmunden an. Die frühere Salzhandels- und heutige Kurstadt an der Nordspitze des Traunsees muss zwar im Gegensatz zu Ischl und Aussee ohne „Bad“ auskommen, hat aber den Vorteil, direkt am Wasser zu liegen und erinnert deswegen – nicht zuletzt wegen der Villen, Schlösser und den in hellen Pastelltönen gestrichenen Bürgerhäusern – an ein mediterranes Seebad. Wozu auch die Uferpromenade mit den unmittelbar daran anschließenden Kaffeehäusern – Grellinger, Baumgartner, Brandl und alle bedingungslos empfehlenswert – nicht unwesentlich beiträgt. Unumstrittenes Wahrzeichen der 1278 zur Stadt erhobenen Gemeinde Gmunden jedoch ist das auf einer Felseninsel gelegene, 909 erstmals erwähnte und nur über eine 123 Meter lange Holzbrücke erreichbare Seeschloss Ort. Es erhielt im 15. Jahrhundert den wuchtigen Torturm und nach einem Brand 1634 sein heutiges Aussehen, wurde aber erst so richtig bekannt durch die von 1996 bis 2004 dort gedrehte TV-Serie „Schlosshotel Orth“, war aber nie Hotel, sondern beherbergt das städtische Standesamt, Ausstellungen und ein Restaurant.
Einmal in Gmunden, sollten Freunde des grüngeflammten Geschirrdekors in der 1843 gegründeten weltberühmten Keramik-Manufaktur vorbeischauen. Bei einer Werkführung erhält man Einblicke in die Firmengeschichte und Herstellung, im Verkaufsraum gibt’s preisgünstige Ware mit kleinen Fehlern, die aber wahrscheinlich eh nur Kennern auffallen werden. Wer sich auch für die Produkte der Konkurrenz interessiert, sollte einen Stopp im Schloss Weyer im gleichnamigen Gmundner Ortsteil andenken: Das hinter hohen Mauern versteckte Renaissanceschloss (15./16. Jh.) beherbergt eine europaweit bedeutende Meissen-Prozellansammlung mit Stücken der Kaiserinnen Maria Theresia und Sisi. Historisch ebenso bedeutend: Das an der Südseite des Stadtplatzes aus dem 16. Jh. stammende Rathaus, wo auf dessen Mittelteil in der obersten der drei Loggien das einzige Keramikglockenspiel Österreichs hängt. Hinter dem Rathausplatz ragt der Zwiebelturm der barockisierten Pfarrkirche auf – das Gotteshaus lohnt allein schon wegen des Dreikönigsaltars von Thomas Schwanthaler (1634–1707) eine Besichtigung.
Zwei Kilometer vom Zentrum direkt am Ostufer erhebt sich in direkter Nachbarschaft zum trotz seiner vergleichsweise bescheidenen Höhe von 1961 Meter mächtig wirkenden Traunstein der 984 Meter hohe Grünberg, ein beliebtes Wander-, Mountainbike- und Familienausflugsziel, auf das eine im Jahr 2014 komplett erneuerte Seilbahn hinaufführt (9 bis 19.30, jeweils zur halben und vollen Stunde, Berg-/Talfahrt p. P. €18.20,–). Oben angekommen, erwartet die Besucher die Grünbergalm, ein SB-Berggasthaus mit großer Terrasse, ein 39 Meter hoher Aussichtsturm, eine Sommerrodelbahn, ein Abenteuerspielplatz samt Niedrigseilgarten sowie (seit 2018) ein barrierefreier Baumwipfelpfad. Dazu gibt’s eine herzige Story einer Eselin namens Agi: Die soll in den 1950er-Jahren, als es noch keine Seilbahn gab, regelmäßig und ohne Begleitung Lebensmittel und Getränke auf den Berg transportiert haben. Und zwar so: In zwei Körben auf dem Rücken befand sich eine Einkaufsliste und etwas Geld. Der Esel wusste mit der Zeit, was von ihm verlangt wurde und suchte im Tal stets die dieselben Händler auf, die die Körbe der Liste entsprechend befüllten. Danach machte sich das gutmütige Lastentier wieder auf den Weg zurück hinauf auf den Grünberg. Eine kleine Bronzeplastik erinnert noch heute an das offensichtlich sehr kluge Tier.
Auf der Westseite des Sees trifft der Reisende auf der leider immens stark befahrenen B 145 nach ein paar Kilometern auf Altmünster, das sich an eine weite Bucht mit herrlichem Traunseeblick schmiegt. Der kleine Ort ist aus insgesamt drei Gründen von Interesse: Erstens wegen der spätgotischen Pfarrkirche zum Heiligen Benedikt mit dem aus dem Barock stammenden Hochaltar von 1636 mit den Figuren der Heiligen Georg und Florian und zweier Engel, allesamt Werk von Michael Zürn dem Jüngeren (1690), zweitens wegen der direkt an der Schiffsanlegestelle von Altmünster liegenden Steckerlfisch-Hütte, in der fangfrische Saiblinge über Holzkohle gegrillt werden, laut Traunsee-Insidern die besten weit und breit.
Und drittens, weil vom Zentrum Altmünsters eine steile Bergstraße nordwärts auf den 822 Meter hohen Gmundnerberg führt, von dessen Höhen fast man das gesamte Traunseebecken mit den felsigen Erhebungen des Ostufers, die westlichen Gipfel des Toten Gebirges, nahezu das gesamte Höllengebirge sowie die waldreichen Berge der Flyschregion (Richtberg, Hongar und Kollmannsberg) überblicken kann. Apropos Kollmannsberg: Genau dort, in der weitverstreuten Katastralgemeinde Altmünsters, findet sich hoch oben in der dunkel bewaldeten Einschicht in knapp 850 Meter Seehöhe der Gasthof Windlegern, legendär, aber noch ein echter Geheim-Tipp und allein schon wegen der moderaten Preise und der hervorragenden Küche wirklich jeden Umweg wert. Wenn’s Wetter passt, tafelt man auf einer großen Sonnenterrasse – und genießt die absolute Stille ebenso wie fangfrische Saiblinge und traumhafte Rindfleischgerichte aus wirtshauseigenen Galloway-Rindern, einer Ur-Rindrasse, die das ganze Jahr auf der Weide verbringt. Und das schmeckt man eben.
Wieder unten im Tal, auf der B 145, erricht man nach ein paar Autominuten an der engsten Stelle des Traunsees das für seine malerische Lage weithin bekannte Traunkirchen. Der auf einer in den See vorspringenden, bewaldeten Felszunge liegende Ort ist seit 2007, nach der Fertigstellung des 2119 Meter langen Geisswand-Tunnels, vom Durchzugsverkehr befreit, ein Faktum, das der Besucher mit hoher Teilnahme dankt. Ganzer Stolz der kleinen 1600-Seelen-Gemeinde ist die aus dem Jahr 1632 stammende Pfarrkirche, die einen ganz besonders kostbaren Schatz, nämlich die von einem unbekannten Barockkünstler gefertigte Fischerkanzel, hütet, die in Form eines geschnitzten Bootes das Wunder vom reichen Fischfang Petri darstellt (1753). Umgeben ist die Kirche von einem ebenso kleinen wie stimmungsvollen Friedhof mit alten schmiedeeisernen Kreuzen.
Der Traunsee, zu Zeiten der Römer Lacus Felix (glücklicher See) genannt ist ein Naturjuwel besonderer Art – das 12 Kilometer lange, maximal drei Kilometer breite Gewässer ist mit 191 Meter der tiefste See Österreichs, oligotroph (nährstoffarm) und genau deswegen von so hoher Wasserqualität, erwärmt sich im Sommer aber auf maximal nur 19, 20 Grad, weil der See von der wasserreichen Traun stark durchflutet wird, die den See von Süden nach Norden durchfließt.
Ein großes Versäumnis wär’s, auf einen Abstecher ins benachbarte Almtal zu verzichten, eine Natur-Oase voll ursprünglicher Schönheit und wo die Zeit zu rasten scheint. Das Trogtal am Fuß des Toten Gebirges ist dünn besiedelt, hat seinen ursprünglichen Charakter erhalten und empfängt den Erholungssuchenden mit beinah’ klösterlicher Stille.
Auf dem Weg zum Talende, kurz vor dem idyllischen Almsee, in dem da und dort aufsteigende Luftbläschen auf unterirdische Quellen hinweisen, liegt der von der Herzog-von-Cumberland-Stiftung gegründete Wildpark Grünau (9–17 Uhr), Refugium von rund 500 Tieren. Alle Wege im rund 60 Hektar großen Areal sind eben und unbeschwerlich und so auch mit Kinderwagen oder Rollstühlen problemlos bewältigbar.
Ganz am Ende der gut ausgebauten, aber nur spärlich befahrenen Straße endet die Tour beim Gasthof Seehaus, das 1652 von den Mönchen des Benediktinerstifts Kremsmünster als Meierhof errichtet wurde – und den ermüdeten Reisenden mit Gerichten und Produkten aus eigener Landwirtschaft verwöhnt.
Seehotel Das Traunsee: Kategorie 4-Sterne-S, alle Zimmer mit Balkon und Seeblick, eigener Badesteg, Segelboot exklusiv für Hausgäste; feiner Spa-Wellness- und Erlebnisbereich mit Sauna und Dampfbad, Massagen sowie Beauty- und Kosmetikanwendungen; Das Traunsee, Traunkirchen, Klosterplatz 4; www.dastraunsee.at
Bootshaus: Das beste Fisch-Restaurant des Landes mit grandiosen Köstlichkeiten von Kochmagier Lukas Nagl, bestsortierte Weinkarte, aufmerksamer und kompetenter Service; schöne Seeterrasse; 3 Gault-Millau-Hauben, 4 Sterne/A la Carte, 3 Gabeln/Falstaff; Ruhetage: Dienstag und Mittwoch;
Traunkirchen, Klosterplatz 4
Almgasthof Windlegern: Ein Wirtshaus hoch über dem Traunsee wie aus dem Bilderbuch, traditionell-bodenständige Küche mit frischen Fischen und Spezialitäten vom Galloway-Rind; schöne Terrasse; selbst angesetzte Zirben-, Nuss- und Kirschengeist; Ruhetage: Di./Mi., keine Kreditkarten;
Kollmannsberg 12 www.windlegern.at
Hois’n Wirt: Traumhafte Lage am Traunsee-Ostufer, schattige Seeterrasse, der Fisch kommt direkt aus dem See; Gmunden, Traunsteinstr. 277
www.hoisnwirt.at
Poststube 1327: Wunderschön mit Holz ausgestattete Stuben in uralten Gewölben, super Küche, schattiger Gastgarten; Traunkirchen, Ortsplatz 5;
www.hotel-post-traunkirchen.at
Baumgartner: Direkt am Wasser, Seeterrasse mit traumhaftem Traunstein-Blick; bis zu 42 verschiedene Eissorten, Montag Ruhetag; Gmunden, Esplanade 1
www.konditorei-baumgartner.at
Seehaus: Schöne Lage direkt am See, traditionell-bodenständige Küche, schöner Gastgarten; Montag Ruhetag; Grünau, Almsee 6
www.gasthof-seehaus.at
Extra-Tipp Gmundner Keramik: Mo.-Fr. 9–18 Uhr, Sa. 9–17 Uhr; Juni/Juli/August auch Sonntag 10–16 Uhr; Führungen: Mo.-Sa. 10.30 und 13 Uhr, Juni/Juli/August: Mo.-Fr. 10.30/13/15 Uhr, Sa./So. auch 10.30/13 Uhr; Dauer: Circa 60 Minuten, keine Anmeldung erforderlich; ab 10 Personen Voranmeldung erbeten unter 0 76 12/786-45; Erwachse € 8,–, Kinder bis 14 Jahre kostenlos; Gmunden, Keramikstraße 24
www.gmundner.at
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