Der neue VW Polo im ersten Test
Wenn es einem Hersteller gelingt, über einen Zeitraum von gut vierzig Jahren immerhin rund vierzehn Millionen Exem plare abzusetzen, dann hat er nichts falsch gemacht – oder zumindest viel richtig.
1975: Bill Gates und Paul Allen gründen Microsoft, Niki Lauda gewinnt seine erste Formel-1-Weltmeisterschaft, Charles Chaplin wird von der britischen Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen.
Und: Der VW Polo, Sparversion des teureren und besser ausgestatteten Audi 50, feiert auf dem Automobilsalon in Genf Weltpremiere.
In den Anfangsjahren ein karg eingerichteter, ebenso dünnbüchsiger wie formal völlig anspruchsloser Kleinwagen, hat sich der als kleiner Bruder des Golf positionierte Polo seither prächtig entwickelt – nicht nur was die Stückzahlen, sondern auch was die Abmessungen betrifft: War der damals nur rund 700 Kilo schwere und 3,51 Meter lange Polo I ein echter Winzling, so durchbricht die aktuelle, mittlerweile sechste Generation mit rund 1100 Kilo Basisgewicht und 4,05 Meter locker die 4-Meter-Marke, womit das Auto des niedersächsischen Herstellers auf dem Niveau des Golf III rangiert und streng genommen gar nicht mehr ins Segment der Klein-, sondern in das der Kompaktwagen gehört: Acht Zentimeter länger, sieben Zentimeter breiter, ein Haucherl flacher und knapp über neun Zentimeter mehr Radstand machen den Polo VI endgültig zum Mini-Golf, somit auch zur durchaus überlegenswerten Alternative für jene Käufer, denen der aktuell 4,26 Meter messende Wolfsburger Dauerbestseller schon das berühmte Alzerl zu groß ist. Ein weiteres Argument mag da auch der niedrigere Preis sein, trennen doch die Einstiegsversionen von Polo und Golf immerhin rund 5000 Euro.
Evolutionäres Design
Der Polo ist seit je her Maßstab für Qualität und Wertstabilität, anderseits aber nicht unbedingt das Auto, dem man voller Sehnsucht nachschaut – da macht auch das neue Modell keine Ausnahme. Und so ist der Polo der 6. Generation – wie bei VW ja nicht unüblich – stilistisch eher evolutionär als radikal weiterentwickelt worden: Kräftiger, präsenter, erwachsener, im Ganzen entschlossener – mit kurzen Überhängen, einem die Breite betonenden Kühlergrill, der harmonischen Verteilung von Fensterflächen (dem sogenannten Greenhouse) im Verhältnis zur Fahrzeuglänge und mit Sicken und Lichtkanten ist die Neuauflage denn auch sofort als solche zu erkennen, ohne aber die Stamm- oder etwaige Eroberungskundschaft zu vergraulen. Für stilistische Extravaganz ist im Kompakt-Segment nämlich kein Platz – das weiß VW genauso gut wie es die vielen Mitbewerber auch wissen.
Der größere Radstand wirkt sich im Verein mit den gewachsenen Abmessungen nicht nur vorteilhaft auf die Unterbringung der mitreisenden Passagiere in der zweite Reihe, sondern auch positiv auf den Kofferraum aus, dessen Ladevolumen von ehedem 280 bis 952 auf nunmehr üppige 351 bis 1125 Liter gewachsen ist. Damit dringt der neue Polo auch in dieser Hinsicht in Golf-Regionen vor, in dessen Frachtabteil 380 bis 1270 Liter hineinpassen.
Drei Motorvarianten
VW offeriert für den Polo (nach dem endgültigen Abschluss der Markteinführung) sowohl Benzin-, Gas-, als auch Dieselmotoren. Der Motor-KURIER probierte aus dem großen Angebot jenes, das laut Forecast des Importeurs die meistgewünschte Otto-Variante sein wird: Nämlich den 1,0-Dreizylinder ohne Turboaufladung und 75 PS.
Der kleine Saugbenziner – es hilft nix, man muss das so sagen – stillt die Basisbedürfnisse nur jener Zeitgenossen, die absolut keinerlei Ansprüche an Beschleunigung, Durchzug und Topspeed stellen. Als 75-PS-Polo-Pilot gewöhnt man sich jedenfalls rasch eine ebenso defensive wie vorausschauende Fahrweise an, wollen Überholmanöver doch sehr, sehr sorgsam geplant werden.
Fällt das bescheidene Temperament auf städtischen 80-km/h-Freeways noch nicht wirklich störend ins Gewicht, so ändert sich das Bild Überland und erst recht auf langen Autobahnsteigungen, wo dem Dreizylinder-Sauger rasch die Puste ausgeht und auch durch Zurückschalten in den Vierten die Vitalität des Motors nicht wirklich signifikant zu steigern ist.
Anders gesagt: Mit 75 PS ist der Polo, na ja, ausreichend, aber nicht flammend-lebhaft motorisiert – wer also mehr als ein Mindestmaß an Temperament wünscht, sollte auf den Eins-Komma-Null mit Turbo und 95 oder 115 PS ausweichen oder auf den ebenso bulligen wie sparsamen 1,6-TDI-Turbodiesel-Direkteinspritzer mit 95 PS warten, der dann voraussichtlich ab kommenden Februar bei den heimischen Händlern stehen wird.
Technische Daten
Antrieb: 3 Zylinder, Benzin, Saugrohreinspritzung, 2 oben liegende Nockenwellen, 4 Ventile/Zylinder, Alu-Zylinderkopf und -block; Frontantrieb, 5-Gang-Schaltgetriebe; Spitze 170 km/h, 0–100 in 14,9 Sekunden; Euro 6.
Hubraum: 999 cm³
PS/kW: 75 PS/55 kW
Maximales Drehmoment: 95 Nm bei 3000 U/min
Fahrwerk: Selbst tragende Karosserie, Hilfsrahmen, vorn McPherson-Federbeine, Querlenker, Stabilisator, hinten Verbundlenkerachse, Längslenker, vorn/hinten Schraubenfedern, Teleskopstoßdämpfer, vorn innen belüftete Scheiben-, hinten Trommelbremsen, Zahnstangenlenkung mit elektrischer Servounterstützung, ABS, Berganfahrhilfe, elektronisches Stabilitätsprogramm ( ESP).
Maße (L x B x H): 4053 x 1751 x 1461 mm
Wendekreis: 10,6 m
Radstand: 2548 mm
Kofferraum: 351–1125 l
Gewicht:1105 kg/Gesamtgewicht:1610 kg
Tankinhalt: 40 l
Normverbr.:4,7 l/100 km 108 g/km CO ²
Testverbr.: 6,0 l/100 km
Preis: 16.990 €/Preis Testwagen: 20.124 €
Motorbezogene Versicherungssteuer: 230,64 €
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