Polestar Österreich-Direktor Ferdinand Schelberger: "Wollen die 1000er-Marke knacken"

Ferdinand Schelberger Polestar Österreich
Seit Anfang des Jahres leitet Ferdinand Schelberger die Geschäfte von Polestar Österreich. Im Interview spricht er über neue Händlerpartnerschaften, den Wandel vom Online-Vertrieb zum hybriden Modell – und warum besonders der Westen des Landes für die E-Marke großes Potenzial bietet.

Zusammenfassung

  • Polestar Österreich plant, im Jahr 2024 erstmals vierstellige Zulassungszahlen zu erreichen.
  • Das Unternehmen erweitert sein Modell von rein digitalem Vertrieb auf hybride Partnerschaften mit lokalen Händlern.
  • Polestar entwickelt sich eigenständig von Volvo weiter und plant neue Modelle und Produktionserweiterungen in Europa.

Seit rund einem halben Jahr ist Ferdinand Schelberger der neue Direktor von Polestar Österreich. Die schwedisch-chinesische Elektroautomarke will sich hierzulande stärker positionieren – mit mehr regionaler Präsenz, neuen Modellen und einem wachsenden Händlernetz. Im Interview spricht Schelberger über den Wandel vom reinen Online-Vertrieb zur hybriden Strategie, über den typischen Polestar-Kunden – und darüber, warum der Westen Österreichs für die Marke enormes Potenzial birgt.

KURIER: Sie sind jetzt ein halbes Jahr bei Polestar. Wie fällt Ihr erstes Fazit aus?

Schelberger: Wir sind sehr zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Ende Mai hatten wir rund 2.400 Fahrzeuge im Bestand und konnten die Zulassungen im ersten Halbjahr verdoppeln. Unser internes Ziel ist es, 2025 erstmals vierstellig zu werden. Mit 491 Neuzulassungen bis Ende Juni sind wir auf gutem Kurs.

Polestar war in Österreich ursprünglich rein digital unterwegs – nun kommen Händler dazu. Ist das ein Strategiewechsel?

Nein, eher eine Erweiterung unseres Modells. Wir haben früh auf Online-Services gesetzt: Probefahrten, Finanzierung, Versicherung – das geht alles digital. Das ist in dieser Form einzigartig. Aber wir sehen, dass viele Kunden weiterhin lokalen Kontakt wünschen. Deshalb arbeiten wir jetzt mit Partnerbetrieben zusammen – aktuell mit Stahl und Grünzweig in Wien und Niederösterreich. Das ist für uns der nächste logische Schritt in Richtung Hybridmodell.

Wie funktioniert dieses Modell konkret?

Wir nennen es ein „unechtes Agenturmodell“. Das bedeutet: Wir teilen uns das Risiko mit dem Händler. Lagerfahrzeuge liegen bei uns, Vorführwagen beim Partner. Im klassischen Modell trägt der Händler das komplette Risiko. Für die Kunden bleibt der Ablauf weitgehend gleich, es gibt aber mehr Ansprechpartner und regionale Betreuung.

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Der Polestar 4 ist das neueste Modell des Herstellers. Ende des Jahres soll der 5er folgen.

Wie sieht der typische Kunde von Polestar aus?

Rund zwei Drittel unserer Verkäufe entfallen aktuell auf den B2B-Bereich. Viele unserer Kunden stammen aus Branchen wie IT, Architektur, Bau oder Telekommunikation – also eher progressive, designaffine Zielgruppen. Unsere Fahrzeuge starten bei rund 50.000 Euro, wir sind also klar im Premium-Elektro-Segment positioniert. Privatkunden werden wichtiger, aber derzeit dominiert noch das Firmenleasing.

Welche Rolle spielt Polestar innerhalb des Konzerns – und wie nah ist man noch an Volvo?

Polestar hat seine Wurzeln im Rennsport und war später Performance-Partner von Volvo, ist aber seit 2017 eine eigenständige, rein elektrische Marke. Der Hauptsitz ist in Göteborg, aber die Muttergesellschaft ist wie bei Volvo der chinesische Geely-Konzern. In Bereichen wie Service, Teileversorgung und Produktion gibt es weiterhin starke Synergien. Der neue Polestar 3, der in den USA gebaut wird, basiert beispielsweise auf einer Volvo-Plattform. Die Marken entwickeln sich aber zunehmend auseinander – sowohl in Design als auch in Zielgruppen.

Wie sieht es mit Ladeinfrastruktur und Kooperationen aus?

Mit Polestar Charge bieten wir europaweit Zugang zu rund einer Million Ladepunkten – über eine zentrale App oder Ladekarte, die mit zahlreichen Anbietern kompatibel ist. In Österreich kooperieren wir auch punktuell mit Infrastrukturpartnern, aber unser Fokus liegt auf einem möglichst einheitlichen, markenübergreifenden Zugangssystem.

Wie entwickeln sich die Verkaufszahlen der einzelnen Modelle?

Derzeit entfällt der Großteil unserer Verkäufe auf den neuen Polestar 4 – rund 67 Prozent. Der bewährte Polestar 2 bleibt mit 25 Prozent aber weiterhin gefragt, gerade weil er durch Over-the-Air-Updates laufend weiterentwickelt wird. Der Polestar 3, unser großes SUV-Modell, ist aktuell noch in der Einführungsphase und liegt bei rund 7 Prozent. Viele Kunden steigen direkt vom Polestar 2 auf den Polestar 4 um – die beiden Modelle liegen auch preislich nah beieinander.

Wann kommen neue Modelle auf den Markt?

Wir präsentieren den Polestar 5 noch dieses Jahr – ein spannender, sportlicher Performance-GT, der unser Portfolio nach oben abrundet. Außerdem wurde kürzlich der Polestar 3 Long Range Single Motor vorgestellt. In der Planung ist bereits das Modelljahr 2026, bei dem wir alle bestehenden Modelle weiterentwickeln. Neu ist auch, dass der Polestar 7 künftig in Kosice, Slowakei, produziert wird – ein Zeichen dafür, dass wir näher an den europäischen Markt rücken.

Wie entwickelt sich der Gebrauchtwagenmarkt?

Der Gebrauchtmarkt kommt langsam in Schwung – und wird mit dem Start unseres Händlernetzes zusätzlich wachsen. Unsere gebrauchten Polestar-Modelle zeigen sich wertstabil und erzielen gute Restwerte. Interessant: Während der Neuwagenmarkt stark vom B2B-Bereich dominiert ist, kommen auf dem Gebrauchtwagenmarkt zunehmend Privatkunden zum Zug.

Wie stark fließt Kundenfeedback in die Fahrzeugentwicklung ein?

Sehr stark. Wir haben ein eigenes Customer-Care-Center, das Rückmeldungen sammelt und an die Entwicklungsteams weitergibt. Viele Over-the-Air-Updates basieren direkt auf Kundenwünschen – zum Beispiel wurde kürzlich die Rückfahrkamera im Polestar 2 per Update verbessert. Auch Reichweitenoptimierungen sind möglich – das Fahrzeug lernt, mit Batterie und Ladestrategie effizienter umzugehen.

Welche Ziele haben Sie sich persönlich für dieses Jahr gesetzt?

Mein Plan war zunächst, das Team und die Organisation genau kennenzulernen. Polestar ist die erste Marke, mit der ich arbeite, die ausschließlich Elektrofahrzeuge anbietet – das ist auch für mich eine neue Erfahrung. Wir sind ein kleines, aber extrem engagiertes Team aus 28 Personen, das für die Marke brennt.

Was steht für die zweite Jahreshälfte auf Ihrer Agenda?

Unser wichtigstes Ziel ist, wie gesagt, die 1000er-Marke bei Neuzulassungen zu knacken. Darüber hinaus wollen wir unser Partnernetz erweitern – aktuell decken wir knapp zwei Drittel Österreichs ab, vor allem im Osten. Im Westen, insbesondere in Vorarlberg und Tirol, sehen wir noch großes Potenzial. Unsere allerersten Kunden kamen übrigens aus Vorarlberg – dort war das Interesse an Polestar schon früh groß. Jetzt fehlt nur noch die lokale Präsenz.

Vielen Dank für das Gespräch!

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