Null Verkehrstote in Helsinki: Was steckt hinter dem Erfolg?

Zusammenfassung
- Helsinki verzeichnete 2024 erstmals keine Verkehrstoten, dank Tempo 30, baulicher Maßnahmen und Ausbau von Fuß- und Radwegen.
- Die EU verzeichnete 2024 rund 19.800 Verkehrstote, mit starken Unterschieden zwischen den Ländern; Österreich liegt mit 38 Toten pro Million unter dem EU-Schnitt.
- Erfolgsfaktoren in Helsinki sind konsequentes Tempomanagement, datenbasiertes Handeln und flächendeckende Kontrollen – Ansätze, die auch für Österreich empfohlen werden.
Im Jahr 2024 wurde in der finnischen Hauptstadt Helsinki kein einziger Verkehrstoter gezählt: das berichtet die Verwaltung der Hauptstadt. Die letzte tödliche Unfallstatistik datiert auf Juli 2023. Es ist das erste Mal, das eine europäische Hauptstadt dieses Ziel erreicht hat.
Helsinki folgt der Vision‑Zero‑Strategie der Europäischen Kommission, die ursprünglich aus Schweden stammt und das Ziel verfolgt, Verkehrstote bis 2050 vollständig zu eliminieren. Verkehrssicherheit soll dabei nicht als individuelles Problem, sondern als systemische Aufgabe betrachtet werden: Fehler dürfen nicht tödlich enden. Bereits 2019 konnte auch Oslo ähnlich beeindruckende Erfolge verzeichnen: Damals gab es dort keine tödlichen Unfälle mit Fußgängern oder Radfahrern. In anderen skandinavischen Städten gelang es sogar, ein ganzes Jahr ohne tödliche Kinderunfälle zu durchlaufen, berichtet The Guardian.
Europa-Vergleich
Die aktuellen Daten der Europäischen Kommission zeigen: 2024 gab es in der EU etwa 19.800 Verkehrstote, ein Rückgang um rund 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der EU-Schnitt liegt jetzt bei 44 Todesfällen pro einer Million Einwohner. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten bleiben groß: Schweden verzeichnet mit 20 pro Million eine niedrige Zahl, gefolgt von Dänemark mit 24. Mit 33 pro einer Million Einwohner steht auch Deutschland im Vergleich gut da und nähert sich dem EU-Ziel einer Halbierung der Verkehrstoten bis 2030 an. Rumänien und Bulgarien zählen mit 77–82 Todesfällen pro Million zu den höchsten Raten im EU-Ranking.
Im Jahr 2024 verzeichnete Österreich insgesamt 351 Verkehrstote, ein Rückgang von 13,2 % gegenüber dem Vorjahr (2023: 402), laut Statistik Austria der zweitniedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1961. Entsprechend ergibt sich bei rund 9,2 Millionen Einwohnern eine Rate von 38 Todesfällen pro Million, was das Land unter dem EU-Durchschnitt platziert.
Ein Blick auf 2025 zeigt jedoch noch Herausforderungen: Im ersten Halbjahr starben laut BMI und Kuratorium für Verkehrssicherheit 162 Menschen, ein Anstieg von 17 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Damit befindet sich das österreichische Ziel von maximal 310 Todesopfern im Gesamtjahr in Gefahr.

Enge Fahrspuren und sichtbarer Radverkehr sollen die Raserei im Stadtverkehr bremsen.
Warum Helsinki gelingt, was anderswo scheitert
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor der finnischen Hauptstadt ist das konsequente Tempomanagement: Auf mehr als der Hälfte aller Straßen gilt Tempo 30. Laut The Guardian und Politico sinkt dadurch das tödliche Risiko für Fußgänger dramatisch: Bei 30 km/h überleben neun von zehn, bei 50 km/h nur noch fünf von zehn eine Kollision.
Auch das Straßendesign wurde systematisch angepasst: Schmalere Fahrbahnen, verkehrsberuhigte Kreuzungen, bessere Sichtverhältnisse und neue Ampelschaltungen tragen zur Entschleunigung bei. Zudem setzt Helsinki auf datenbasiertes Handeln: Verkehrsunfalldaten werden laufend ausgewertet, Unfallschwerpunkte früh erkannt und baulich entschärft, in manchen Fällen binnen weniger Monate, wie Politico berichtet.
Ein weiterer Schlüssel ist die konsequente Kontrolle. In den vergangenen Jahren hat Helsinki 70 automatische Radarkameras installiert. Laut Nordic Road & Transport Research ist die Zahl der Tempoüberschreitungen in den überwachten Bereichen daraufhin um mehr als 50 % zurückgegangen.
Was wir daraus lernen können
Viele dieser Ansätze lassen sich auch auf Österreich übertragen. Die Klimaschutzinitiative des Bundes klimaaktiv nennt Tempo 30 in Wohngebieten und rund um Schulen als zentrale Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. In Wien gilt Tempo 30 bereits auf einem Großteil der Nebenstraßen, welche rund 75% des gesamten Straßennetzes ausmachen, heißt es im städtischen Verkehrssicherheitsprogramm.
Trotzdem bleibt der erhoffte Effekt in der Hauptstadt begrenzt: Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) überschreiten 74 % der Autofahrer in Wien regelmäßig die zulässige Höchstgeschwindigkeit in 30er-Zonen, österreichweit sind es 72 %.
Hier soll die Gestaltung des öffentlichen Raums ins Spiel kommen. Laut klimaaktiv fördern mehr visuelle Verengungen, Verkehrsinseln oder farblich abgesetzte Radwege eine „psychologische Verkehrsberuhigung“, die Autofahrer instinktiv vorsichtiger fahren lässt. Breite Gehsteige, durchgängige Radwege und sichere Übergänge erhöhen insbesondere für Kinder und ältere Menschen die Sicherheit. In Kombination mit flächendeckendem Tempo 30 können laut klimaaktiv sogar sogenannte Mischverkehrsflächen funktionieren, auf denen sich alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt bewegen.
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