Unser Teenager hinter dem Steuer - wollen wir das wirklich?

Noch immer sind wir auf den Straßen unterwegs. Kilometer reiht sich an Kilometer, bis nach Jever wollen wir. Das bedeutet noch sechs Stunden deutsche Autobahn. Die Eltern wechseln sich am Steuer ab, aber dennoch – irgendwann wird es anstrengend.
Ein halbes Kind am Steuer?
Da kommt von der Rückbank: „Nächstes Jahr dürfte schon ich fahren.“ Stimmt das? Vor allem aber: Will man das?
Gesetzlich ist es so: Wer schon vor 18 mit dem Auto fahren möchte, kann „L17“ absolvieren. Die Ausbildung in der Fahrschule darf in diesem Fall bereits mit 15,5 Jahren begonnen werden.

Mit 15,5 Jahren darf man in Österreich mit der L17-Ausbildung starten. Viele feiern das als Chance: Mehr Fahrpraxis, mehr Sicherheit, mehr Freiheit. Aber stimmt das?
Nach Erhalt des Bewilligungsbescheids heißt es für die Jugendlichen, die praktische Hauptschulung in Form von Ausbildungsfahrten durchzuführen. Dafür können höchstens zwei „Begleiter“ namhaft gemacht werden – meist wohl die Eltern. Und dann geht es los: Insgesamt müssen mindestens 3.000 Kilometer Ausbildungsfahrten absolviert werden. Weiters gilt: Es dürfen so viele Personen mitgenommen werden, wie für das Auto zugelassen sind. Die Begleitperson muss jedoch neben der Bewerberin oder dem Bewerber sitzen.
Zeit, Geld und Nerven?
Das eigene 15,5-jährige Kind auf der Autobahn? Mit dem anderen Kind auf der Rückbank? Und man selbst am Beifahrersitz? Nach entspannten Fahrten klingt das nicht. Schon beim Gedanken daran werden die Knöchel des einen Elternteils rund um das Lenkrad weiß.
Glücklicherweise fahren wir bald in Jever. Das niedersächsische Städtchen ist nicht nur ein staatlich anerkannter Erholungsort, sondern auch für sein Bier bekannt – eine Wohltat für die Nerven (auch in der alkoholfreien „Fun“-Version). Dass es uns an einem Tisch serviert wird, auf dem ein Sticker „Steiermark – das grüne Herz Österreichs“ klebt, ist allerdings seltsam.
Die jetzt schon recht ferne Heimat ist aber bald wieder Thema: Denn das Internet verrät uns, dass Ausbildungsfahrten nur im Inland stattfinden dürfen.
Beruhigt schlafen die Eltern ein.
Für den Nachwuchs ist das Thema auch am nächsten Tag nicht vom Tisch. Am Beifahrersitz werden nun Fragen gestellt: „Was ist das für ein Licht?“, „Warum blinkst du jetzt?“, „Und wenn man da drückt?“ – sogar beim Reifendruck-Messen sind die Kinder plötzlich mit Interesse dabei.
Einstieg in die Mobilität
Als Eltern ist man wieder im bereits altbekannten Dilemma: Wie viel muss man fördern? Wie viel muss man schützen? Je mehr man darüber nachdenkt, desto klarer wird, wie viel Verantwortung man eigentlich am Steuer in der Hand hält.
Routenplanungstechnisch war es daher sehr schlau, dass der nächste Stop die Stadt Norden ist. In Norddeich wird das Auto nämlich abgestellt, und es geht per Fähre auf eine autofreie Insel. Das Thema ist vom Tisch – sollte man denken.
Juist hält alles, was es versprochen hat. Die ostfriesische Düneninsel ist einfach nur schön, obwohl – oder gerade weil – sie etwas rauh daherkommt. Der Name passt: Juist stammt vom friesischen Wort „güst“, also „karg, unfruchtbar“. Über dem die Insel dominierenden Hotel, in dem einst Könige wohnten, hängen dunkle Wolken, die dem imposanten Gebäude eine Aura verleihen, als würde hier gleich etwas passieren. Doch es bleibt ruhig.

Entschleunigend aber laut: Auf der autofreien Insel kommt die Müllabfuhr mit dem Pferdewagen. Für den Nachwuchs spannend - braucht man überhaupt einen Führerschein?
Dass hier keine Autos fahren, ist einfach nur schön. Die von Pferden gezogene Müllabfuhr – Entschleunigung pur, obwohl sie lauter ist als jeder alte Diesel. Der umweltbewusste Nachwuchs hingegen beginnt darüber nachzudenken, ob man überhaupt einen Führerschein machen sollte.
Laut Versicherungsjournal wurden im vergangenen Jahr um 1,4 Prozent mehr Lenkerberechtigungen ausgestellt als 2023. Bei den regulären B-Berechtigungen gab es einen Anstieg um 4,2 Prozent auf 51.938 Stück. Jeder dritte 17-Jährige erwarb eine L17-Berechtigung.
Auf Länderebene zeigen sich dabei „deutliche Unterschiede“, wie die Statistik Austria anmerkt: Im Burgenland erwarb jeder zweite 17-Jährige (53 Prozent) den L17-Schein, gefolgt von der Steiermark (46 Prozent). Den geringsten Wert wies Wien mit 8 Prozent auf.
Auf der Heimfahrt – mit Stop im wenig spannenden Limburg und dem viel schöneren Zürich – scheint die Lust, sich selbst hinter das Steuer zu setzen, wieder erloschen. Lesen, schlafen oder einfach nur aus dem Fenster schauen, wann man will. Keine Verantwortung zu tragen kann auch schön sein.

Autofahren ist eine Skill, von der man will, dass die Kinder sie lernen. Aber in welchem Alter? Für die Mütternerven gilt - ganz entspannend ist der Gedanke nicht. Die autofreie Insel hingegen schon.
Mehr Fahrpraxis, mehr Sicherheit, mehr Freiheit
Selbst am Steuer heißt es wachsam bleiben, denn die Gefahren im Straßenverkehr sind überall – auf Bergstraßen wie auf der Autobahn. Klar ist: Autofahren lernt man durch Autofahren. Klar ist auch: Mit 15,5 Jahren stecken viele noch mitten in der Pubertät, mit allen Ablenkungen und Unsicherheiten, die dazugehören.
Ältere Studien zeigen zwar, dass L17-Fahrerinnen und -Fahrer meist sicherer unterwegs sind. Und ja, am Land, wo öffentliche Verkehrsmittel oft fehlen, bringt der frühe Führerschein Selbstständigkeit und erleichtert den Alltag von Familie und Jugendlichen. Doch es gibt ein Aber.
Auf der Kontra-Seite stehen Kosten, Zeit am Beifahrersitz und vor allem die Sicherheit. Autofahren bedeutet Verantwortung – für sich selbst und für andere. Ist man mit 15,5 wirklich schon reif genug, zwei Tonnen Blech durch den Straßenverkehr zu manövrieren? Und: Muss es so früh sein?
Wir werden den Kindern jedenfalls nach diesem Sommer keinen Stress machen, sich so früh wie möglich hinter das Steuer zu setzen.
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