Klimaziele, Teuerung: Bei Autozulieferern wackeln tausende Jobs

Auf der CES in Las Vegas zeigt der Automobilzulieferer Webasto, wie das Dach als Fläche für Innovation, Entertainment und Komfort genutzt werden kann: Ein transparenter Bildschirm von LG Display, der in das Dachintegriert wird, verwandelt das Fahrzeug auf Knopfdruck in ein privates Kino. Nun gibt es schlechte Nachrichten.
Die Industrie der heimischen Autozulieferer steht laut einer aktuellen Studie im internationalen Wettbewerb stark unter Druck.

Die Industrie der heimischen Autozulieferer steht laut einer Studie im internationalen Wettbewerb stark unter Druck. Die hoch gesteckten Klimaziele des European Green Deal gepaart mit Lieferkettenproblemen, hohen Material- und Energiekosten sowie einer generell höheren Inflation stellen die Branche vor Herausforderungen und drücken die Margen.
Zum Hintergrund: Die Branche erwirtschaftet in Österreich einen Umsatz von 28,5 Mrd. Euro und bringt der österreichischen Volkswirtschaft eine direkte Wertschöpfung von knapp 9,0 Mrd. Euro. Mehr als 81.000 Arbeitsplätze sind der Autozuliefer-Branche zuzurechnen.

Untersucht wurden  nun die Standortvorteile und -nachteile der heimischen Autozulieferindustrie im Vergleich mit anderen Ländern vom Industriewissenschaftlichen Institut (IWI) für die ARGE Automotive Zulieferindustrie. Die größten Hürden für den Standort liegen laut Studienautor und Leiter des IWI, Herwig Schneider, einerseits in der Transformation der Branche in Richtung Elektromobilität, die teils komplett neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten verlange, und andererseits im Wettbewerb mit anderen Ländern. Es gelte "zu verhindern, dass österreichische Betriebe die Produktion verlagern müssen, und zum anderen die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass Unternehmen im Land investieren und somit Innovation und Wertschöpfung nicht abfließen," sagte Schneider.

Tausende Jobs wackeln 
Generell gibt es aus der Branche einiges an Bad News: Gestern meldete der Bayerische Autozulieferer Webasto das man 1.600 Stellen streicht. Nach einem Gewinneinbruch wackelt damit mindestens jede zehnte Stelle. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern sei im vergangenen Jahr auf 20 (2022 bereinigt um die Ladesäulen-Sparte: 193) Mio. Euro zurückgegangen, obwohl der Umsatz auf 4,6 (4,3) Mrd. Euro wuchs, teilte der Hersteller von Cabriodächern, Standheizungen und anderen Teilen zur Elektrifizierung in Stockdorf bei München mit.
 

"Das Jahresergebnis ist enttäuschend und zwingt uns zu handeln", sagte Vorstandschef Holger Engelmann. "Ein Stellenabbau im zweistelligen Prozentbereich ist voraussichtlich unvermeidbar." Ende Dezember hatte Webasto 16.000 Mitarbeiter. Im Zuge eines Sparprogramms würden derzeit alle Regionen und Sparten auf Einsparungen und Kapazitäten hin überprüft, teilte das Unternehmen mit. 

Defizitäre Sparte für Ladelösungen

Unter anderem in China seien die Kapazitäten bereits im vergangenen Jahr gekürzt worden, seit dem Herbst gilt ein weltweiter Einstellungsstopp. Webasto müsse sich angesichts der trüben Aussichten für Autozulieferer "finanziell resilienter aufstellen", sagte Engelmann. Webasto kämpfe mit erheblichen Nachfrageschwankungen, gesteigertem Kostendruck und Störungen in der Lieferkette. Von seiner defizitären Sparte für Ladelösungen hatte sich Webasto kürzlich bereits getrennt.

Noch mehr Arbeitsplatz-Verluste gibt es in Frankreich: Der französische Autozulieferer Forvia streicht in den kommenden fünf Jahren bis zu 10.000 Arbeitsplätze. Insgesamt seien im Rahmen des Sparprogramms "EU-Forward" 13 Prozent der Stellen betroffen, teilte der Konzern am Montag mit. Geplant sei vor allem, freiwerdende Stellen nicht wieder zu besetzen und zurückhaltend bei Neueinstellungen zu sein. "Unsere Fluktuationsrate liegt bei 2.000 bis 2.500 jährlich", sagte Forvia-Finanzchef Olivier Durand.


"Der Plan bedeutet überhaupt nicht, dass jetzt 10.000 Mitarbeiter entlassen werden. Er heißt vielmehr, dass wir sicherstellen müssen, nur die Leute einzustellen, die wir unbedingt brauchen." Forvia will insgesamt seine Kosten ab 2028 um 500 Mio. Euro jährlich reduzieren.

 

Autozulieferer ZF verordnet sich strengen Sparkurs

Auch der hoch verschuldete deutsche Autozulieferer ZF will zur Steigerung seiner Wettbewerbsfähigkeit einen Gang zulegen und den Rotstift ansetzen. Heuer und im kommenden Jahr sollen die Kosten weltweit um etwa 6 Mrd. Euro gesenkt werden, wie ein Sprecher des Konzerns aus Friedrichshafenauf Anfrage mitteilte. Mit den verringerten Kosten schaffe sich ZF eine bessere Position, um die weitere Transformation zur E-Mobilität ab 2026 anzugehen.
Der Zulieferer vom Bodensee hat den Angaben nach fünf Kernbereiche identifiziert, in denen gespart werden soll: Er wolle im Materialeinkauf Preiseffekte erzielen, die Produktivität der Werke steigern, Forschungs- und Entwicklungskosten verbessern, die Kostenstruktur in Zentralbereichen verbessern und Ausgaben für Investitionen genau prüfen.

Österreich: Soll Politik der Autozuliefer-Branche helfen?
Dietmar Schäfer, Vorsitzender der ARGE Automotive Zulieferindustrie fordert für Österreich politische Maßnahmen, die die Autozuliefer-Branche besser fördern und höhere Kosten dämpfen. "Unmittelbar sollte ein spezifisches Förderregime entwickelt werden, etwa für die Erforschung und Entwicklung von Batterietechnologien und innovativen Komponenten", so Schäfer.

China prescht voran, EU hat keine Antwort

China, Großbritannien, Kanada und die USA haben laut der Studie in den vergangenen Jahren ihre Förderregimes ausgebaut und stellen große Summen in den Aufbau neuer Lieferketten oder den Kapazitätsausbau von Batterien. Die EU habe darauf jedoch keine passende Antwort gefunden, wenngleich Gesetzgebungen wie der "European Chips Act" wichtige Instrumente im Subventionswettlauf seien, die Österreich auch nützen sollte.

Daneben plädiert Schäfer wie auch andere Vertreter der Industrie für eine "deutliche Senkung der Lohnnebenkosten, Reduktion der Energiekosten, Entbürokratisierung und Bekämpfung des Fachkräftemangels. Nur dann hat Österreichs Zulieferindustrie eine Zukunft", so Schäfer. Hier sind die Rahmenbedingungen in anderen Ländern Europas laut der Studie teilweise besser. Als ein Beispiel wird Tschechien genannt, wo diverse Initiativen gegen den Fachkräftemangel - unter anderem für weibliche oder ältere Arbeitnehmer - implementiert werden. Die Zulieferbranche sei jedenfalls "eine der industriellen Schlüsselbranchen Österreichs," so Schäfer. 
 

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