Fliegen oder Zug? Die ÖBB heben still und unübersichtlich die Nightjet-Preise

Nightjet der neuen Generation am Bahnsteig
Der Nightjet ist eine tolle Sache. Jetzt kommt die neue, schicke Generation. Anscheinend aber auch neue, deutlich höhere Preise. Internationale Medien sprechen von "Abzocke."

„Kommt mich besuchen“ - sage ich zu einer Freundin: „Nightjet ist super.“ Und sie kommt, zwei Kinder im Gepäck. Zwischendurch ist es so laut, erzählt sie, dass man glaubt, eine Schüttel-Massage mitgebucht zu haben. Das Bett ist extrem schmal. Eine Stunde Verspätung. Und dennoch: Die Kinder sind von der Reise begeistert: „Im Zug schläft man am besten“, so die Rückmeldung.
Das nächste Mal, sage ich, gibt es vielleicht schon den neuen Nightjet. Und ich erzähle von den schönen Bildern der neuen Generation.

Wird Zugfahren jetzt deutlich teurer als Fliegen?


Doch nun von der folgen Neuigkeiten, von welchen in all den schönen Aussendungen nichts zu lesen war: Anscheinend gibt es mit dem Fahrplanwechsel auch Preiserhöhungen.

„Nachtzüge werden deutlich teurer. Nachtzug-Fans ärgern sich über  «Abzocke»“, schreibt der Tagesanzeiger.
 

Aufgefallen ist das laut nau.ch Bahnblogger Timo Grossenbacher. Der Schweizer kennt sich mit Nachtzügen aus, betreibt er doch die Website «Night-ride.ch» die Preisabfrage von Nachtzügen vereinfachen soll.
„Gewisse Komfortkategorien sind ab heute mehr als doppelt so teuer. Beispiel: Ein 1er-Schlafwagen-Abteil von Basel nach Amsterdam kostet teilweise plötzlich 600 Euro (ohne Ermässigungskarte). Vor dem heutigen Tag war es für 283 Euro zu haben gewesen, auch für Verbindungen nach dem Fahrplanwechsel“, rechnet er vor.
Am 9. Februar, so der Blogger weiter, gibt es das selbe Abteil zu den gleichen Konditionen für 475 Euro – das ist rund 20 Prozent günstiger. Vewirrend.


Auch die viel-gehypte Mini-Cabin auf der Strecke von Innsbruck nach Hamburg hat er unter die Lupe genommen: Es gab sie nicht unter 190 Euro (ebenfalls ohne Ermässigungskarte): "Eine Steigerung von rund 27 Prozent, das ist selbst in Zeiten von grassierender Inflation happig“, schreibt er.
 

Richtig verärgert reagiert der deutsche Bahnblogger Sebastian Wilkench auf Mastodon: „Ich fühle mich missbraucht. Seit Jahren mache ich unentgeltlich Werbung für den Nachtzug. Weil ich den Nachtzug liebe, weil ich an den Nachtzug glaube als Alternative zum Fliegen. Über Nacht erhöht nun die ÖBB so massiv die Preise, dass sich kein normaler Mensch mehr eine Nachtzugfahrt leisten kann. Ein Staatsunternehmen baut erst einen Hype auf, um dann – der Markt regelt! – nach allen Regeln der Kunst abzuzocken."

Wird der Nachtzug zu teuer?


Auf der Nightjet-Homepage liest man: „Alle Fahrpreise sind dynamisch und können sich daher jederzeit entsprechend der Nachfrage ändern. Wir empfehlen daher eine frühzeitige Buchung.
Das klingt nach der Preisstrategie von Airlines: Und solche machen - gerade überzeugten Nightjet-Fahrern - keine große Freude.


Also schnell selbst eingegeben: Würde man heute Abend noch von Wien nach Zürich fahren (ohne Ermäßigung), kostet das laut ÖBB Buchungsseite. 114,90 Euro, allerdings kommen für den Liegewagen nochmals 50 Euro dazu, für den Schlafwagen gleicht 185. Knapp 300 Euro also. Auf Austrian.com findet sich ebenfalls für den Abend ein Flug um 249 Euro - mit dem Vorteil von einer Flugzeit von nur 1,2 Stunden statt 10,41 Stunden.
Meine Freundin hat für die Reise vor ein paar Tagen, keine Ermäßigung, zwei Kinder, Schlafwagen Komfortticket 195,90 Euro bezahlt. Zwei Monate vorab hat sie gebucht. Wenn sie nun für den 12.2.2024 buchen würde, müsste sie laut ÖBB Ticketrechner für das Komforticket 329 Euro zahlen.
 

Gerne wollte ich nun bei der ÖBB nachfragen: Stimmen die Medienberichte? Wie, wann, wo wurden die neuen Preise kommuniziert - ich erinnere mich nicht an eine Aussendung? Wie kommt die Preiserhöhung zustande? Wie reagieren man darauf, dass Kunden verärgert sind?


 

Die ÖBB übermittelt folgende Stellungnahme:
 
"Wir werden zukünftig bei den Tickets im Nachtverkehr unser Preissystem adaptieren und eine breitere Spanne an Preisen haben, um besser auf die Nachfrage unserer Kund:innen reagieren zu können. Es wird sowohl Preise geben, die günstiger sind und unter den derzeitigen Preisen liegen, als auch Preise, die über den aktuellen liegen.
 
Beim Fahrplanwechsel sind kurzfristig durch sehr viele online Preisanfragen die ausgewiesenen Preise im System hochgeschossen, in den nächsten Tagen wir das System die Preise wieder kalibrieren und es ist mit wieder deutlich günstigeren Angeboten zu rechnen.
 
Verbindungen, die beispielsweise sehr gering ausgelastet sind, erhalten ein höheres Kontingent an Tickets in sehr niedrigen Preisstufen. Jene Verbindungen zur Hochsaison oder an den am häufigsten genutzten Reisetagen werden im Allgemeinen teurer, da auch die Zahlungsbereitschaft unserer Kund:innen für diese Fahrten deutlich höher ist. Es wird durch die neue Preisspreizung künftig für zahlungsbereite Kund:innen auch die Möglichkeit geben, absolute Restplätze für die beliebtesten Zugverbindungen des ganzen Jahres (wie z.B. NJ-Fahrt zu den Osterfeiertagen von Wien nach Rom) zu bekommen. Das neue Preissystem bietet damit flexiblere Fahrkartenoptionen, die auch kurzfristigere Buchungen für unsere Kund:innen möglich machen.
 
Außerdem bieten wir den Kund:innen ab Fahrplanwechsel nun im Nachtverkehr drei Ticketarten zur Auswahl an: das sehr günstige Sparschiene-Ticket ohne Stornierungsoption, das Sparschiene Komfort-Ticket mit Stornierungsmöglichkeit bis 15 Tage vor Abfahrt und das Standard-Ticket, das unseren Kund:innen nun volle Flexibilität bringt und bis zum Tag der Abfahrt stornierbar ist."

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