Der Preis des Autofahrens
Wer 50 Jahre lang auf ein Auto verzichtet, hat am Ende ein kleines Vermögen gespart. Wie hoch diese Summe tatsächlich ist, hat Mobilitätsforscher Stefan Gössling mit zwei anderen Forschenden für Deutschland errechnet. Sie lässt sich jedoch, so der Experte, auf Österreich umlegen. Im Gespräch mit dem KURIER erklärt der Wissenschafter, wieso das Autofahren für viele trotzdem alternativlos ist und wie man die Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern entschärfen könnte.
KURIER: Wenn man sein Leben lang kein Auto besitzt, spart das laut Ihrer Studie rund 600.000 Euro, inklusive der sozialen und privaten Kosten. Hatten Sie mit so viel gerechnet?
Stefan Gössling: Bei größeren Autos ist es sogar mehr. Um ganz ehrlich zu sein, nein. Wir konnten nicht absehen, was das Ergebnis sein wird.
Was war das Ziel der Studie?
Studien zeigen, dass Autofahren weniger attraktiv wird, wenn man weiß, wie viel man tatsächlich zahlt. Das Auto ist teuer in der Anschaffung, aber die monatlichen Kosten sind gering. Die meisten Menschen sehen nur die laufenden Kosten und unterschätzen die Gesamtkosten.
Ihrer Studie nach zahlt eine Führungskraft, die einen Mercedes GLC fährt, über 50 Jahre gerechnet, 25 Prozent des Einkommens für das Auto. Bei einem Facharbeiter sind es fast 50 Prozent.
Die Ausgaben für das Auto stehen für viele nach den Ausgaben für das Wohnen an zweiter Stelle. Es war schon eine spannende Erkenntnis, dass, wenn die Ausgaben für ein Auto wegfallen, man mit diesem Geld am Ende vielleicht eine Wohnung besitzen könnte. Der zweite Erkenntnisgewinn war, dass die Allgemeinheit das Autofahren mitzahlt, auch die,
die selbst keines fahren. Die meisten Autofahrer denken aber, dass sie hohe Steuern zahlen. Sie denken, mit ihren Abgaben sind alle gesellschaftlichen Kosten abgegolten. Wir können sagen, das Gegenteil ist der Fall.
In Wien braucht man demnächst flächendeckend ein Parkpickerl. Das gefällt nicht allen. Was ist Ihre Erklärung dafür?
Wir haben beim Parken ein Gewohnheitsrecht, und viele Autofahrer glauben, dass ihnen die Fläche gehört, gerade auch in den städtischen Randgebieten. Ein Auto braucht aber viel Platz, parkend sind das mindestens acht Quadratmeter und fahrend noch mehr. Dass wir Gemeinschaftsfläche in der Stadt für Autos verwenden, die 97 Prozent der Zeit nur stehen, ist nicht mehr zeitgemäß. Stadtplanung sollte nicht nur versuchen, immer mehr Autos unterzubringen.
Ein Pkw ist für manche unverzichtbar, weil die Alternativen fehlen. Es wollen auch nicht alle in der Stadt wohnen, wo es kein Auto braucht.
In Kopenhagen konnte beobachtet werden, dass viele zurück in die Stadt gezogen sind, als die Autos verschwanden. Stellen Sie sich vor, wir bekämen die Autos raus aus der Stadt, wir hätten viel mehr Grünfläche und mehr attraktiven Wohnraum. Das käme dem Ideal der Menschen vielleicht näher.
Was also sind die Handlungsempfehlungen?
Wir sind keine Politiker, wir können nur darauf hinweisen, dass das Auto teuer ist – privat und gesellschaftlich. Und es wäre wohl sinnvoll, wenn die gesellschaftlichen Kosten stärker auf Autofahrer umgelegt würden. Durch die Luftverschmutzung leben wir alle kürzer, die Kosten des Klimawandels werden weitgehend von jungen Menschen getragen. Das ist nicht gerecht.
An welchen Schrauben kann man noch drehen?
Der Öffentliche Personennahverkehr muss ausgebaut werden, und es braucht Fernwege für Fahrradfahrer in die Stadt. Außerdem mehr individualisierte Fahrdienstleistungen. Wir haben eigentlich zwei Konfliktlinien. Zum einen das Auto gegen alle anderen Verkehrsteilnehmer und zum zweiten der Stadt-Land-Konflikt. Den ersten Konflikt können wir lösen, indem wir in der Stadt nicht mehr allen Platz dem Auto geben, also Fahrradfahrer, Fußgänger und Rollerfahrer eigene Straßen bekommen. Und indem wir Geschwindigkeiten anpassen, auf Tempo 30. Auf verstopften Straßen wird Autoverkehr dann paradoxerweise schneller, weil pro Stunde mehr Wagen passieren können. Zweitens sehen wir, dass auf dem Land aufmobilisiert wird. Es gibt teilweise einen Trend zum Drittwagen. Da wachsen Spannungen zwischen Stadt und Land, daher wird es wichtiger werden, Anbindungen ohne Auto attraktiver zu machen.
Wieso hat das Auto eine so große Bedeutung?
Manche sehen das Auto als Teil ihrer Identität. Wenn man das Auto einschränkt, fühlen sie sich persönlich eingeschränkt. Das hat sich durch Covid noch verstärkt. Das Auto hat an Bedeutung gewonnen, als Schutzraum, um weglaufen zu können, zumindest in der Fantasie. Jetzt steht die autonome Mobilität vor der Tür. Wenn Menschen mit einer autonomen Flotte unterwegs wären, könnte man mindestens 70 Prozent der Autos abschaffen. Ohne Mobilitätsverluste. Aber die Städte könnten viel Lebensqualität gewinnen.
Stefan Gössling ist Professor für Mobilität an der Universität Lund (S). Die Forscher berechneten in ihrer Studie die privaten und gesellschaftlichen Kosten eines Opel Corsa, VW Golf und Mercedes GLC. Für den Corsa fallen bei 15.000 km/Jahr auf 50 Jahre gerechnet 600.000 € an; Golf: 653.561; GLC: 956.798 €.
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