Gebraucht, aber gut: Worauf man beim Kauf eines gebrauchten Fahrrads achten muss

Heinz Csarmann, seit 40 Jahren Leiter des Fachhandels "fahrrad + ski".
Zusammenfassung
- Der Gebrauchtfahrradmarkt bietet viele Optionen, jedoch erfordert der Kauf ein geschultes Auge, um Mängel zu erkennen und überzogene Erwartungen zu vermeiden.
- Ein gutes gebrauchtes Fahrrad kostet zwischen 300-500 Euro und erfordert eine sorgfältige Inspektion und eventuell Probefahrten.
- Rahmengröße und Ausstattung sind wichtige Faktoren, besonders da XL-Räder knapp sind und Retro-Bikes oft teuer in Wartung und Ersatzteilen sind.
Wer ein gebrauchtes Fahrrad kaufen will, steht heute vor mehr Auswahl als je zuvor. Auf Verkaufsplattformen wie Willhaben, in sozialen Medien und in spezialisierten Shops finden sich täglich neue Angebote. Doch das größere Angebot macht die Entscheidung nicht einfacher. Im Gegenteil: Gerade Laien fehlt oft das Know-how, um Qualität von Schein-Schnäppchen zu unterscheiden.
Erwartungen vs. Realität
„Viele kommen zu uns mit völlig unrealistischen Vorstellungen“, sagt Heinz Csarmann, Inhaber von „Fahrrad + Ski“ in Wien-Margareten. Seit über 40 Jahren verkauft er neue und gebrauchte Räder mit Servicegarantie. „Sie wollen ein schönes, top ausgestattetes Rad, das alles kann, nicht gestohlen wird und möglichst nichts kostet. Das gibt es so aber nicht.“
Besonders beliebt sind die schlichten, robusten und unauffälligen „Bahnhofsräder“ für 150 bis 200 Euro. Wer mehr Komfort oder Ausstattung sucht, landet schnell im Bereich von 300 bis 500 Euro. „In dem Segment bekommt man gute, teilweise fast neuwertige Räder – vorausgesetzt, sie wurden professionell überholt.“

Worauf man beim Kauf achten muss
Ein gebrauchtes Rad kann auf den ersten Blick gut aussehen, doch viele Mängel zeigen sich erst bei genauerem Hinsehen: „Rahmenrisse, poröse Reifen, durchhängende Kette, ein verzogener Sattel oder unterschiedliche Laufräder – das sind Dinge, die man nicht sofort erkennt.“ Wer ein Rad mit solchen Mängeln günstig kauft, steht oft wenig später im Fachhandel, um es kostspielig instand setzen zu lassen. „Wir investieren zwei bis drei Stunden Arbeit, um ein gebrauchtes Rad wieder straßentauglich zu machen“, so Csarmann. „Das schlägt sich im Preis nieder, aber dann kann man es auch guten Gewissens verkaufen.“
Er empfiehlt, sich bereits vor dem Kauf mit dem Zustand und der Ausstattung eines Rads zu beschäftigen und es unbedingt Probe zu fahren. Auch bei günstigen Angeboten aus dem Internet gilt: Wer keine Ahnung hat, riskiert Folgekosten. Csarmanns Faustregel: „Unter 250 Euro würde ich kein gebrauchtes Rad nehmen.“
Besonders kritisch sei das Thema bei E-Bikes: „Die Gebrauchten sehen oft aus wie neu, aber niemand weiß, wie der Akku gelagert oder behandelt wurde.“ Gerade ältere Akkus verlieren schnell an Kapazität oder sind im schlimmsten Fall irreparabel defekt, und ein neuer Akku kostet schnell 400 bis 800 Euro“, so Csarmann.
Das passende Rad – und die richtige Größe
Der Trend geht klar zum Allrounder-Fahrrad mit vielen Gängen. Trekking-, Touren- oder Citybikes mit 21 bis 30 Gängen verkaufen sich derzeit am besten. „Auch wenn in der Stadt oft drei Gänge ausreichen, wollen viele für alle Eventualitäten gerüstet sein“, sagt Csarmann. Für den Alltag sei das meist überdimensioniert, insbesondere, weil mehr Gänge auch mehr Verschleiß bedeuten. Dennoch: Die Nachfrage nach vielseitigen, komfortablen Rädern mit aufrechter Sitzposition und Vollausstattung ist ungebrochen.
Ein zentrales Thema beim Gebrauchtkauf ist zudem die Rahmengröße. „Größere Menschen haben es am Gebrauchtmarkt deutlich schwerer“, erklärt Csarmann. Räder in XL-Größe werden erst seit etwa zwölf Jahren gebaut, ältere Modelle sind meist kleiner. „Ein Bike in X-Large ist sofort weg, da haben wir gleich fünf Kunden auf der Liste.“ Auch der Abstand zwischen Lenker und Sattel sollte zur Körpergröße passen. Für kurze Strecken ist das weniger relevant, aber wer täglich fährt, spürt den Unterschied. Das gilt auch für die Lenkerform und Reifengröße. „Größere Menschen sollten zu 29-Zoll-Reifen greifen, kleinere kommen mit 27,5 gut zurecht.“
Vintage-Charme mit Tücken
Vintage-Fahrräder mit Retro-Charme erleben vor allem bei jungen Menschen regelmäßig kleine Comebacks, zuletzt vor acht bis neun Jahren. Doch Csarmann warnt: „Sie sind wie Oldtimer – optisch charmant, aber technisch überholt.“ Die Schaltung sei oft ungenau, Ersatzteile schwer zu bekommen, der Wartungsaufwand hoch. Wer sich trotzdem für ein älteres Modell entscheidet, sollte sich im Klaren sein, dass das Aussehen häufig mehr kostet, als gedacht.
Ein gutes Qualitätsmerkmal ist dafür die Marke. Csarmann zieht einen Vergleich mit der Autoindustrie: „Ein 20 Jahre altes KTM ist wie ein gebrauchter Mercedes – langlebig, wertig, solide. Ein Supermarkt- oder Sporthandelsrad dagegen eher wie ein alter Daihatsu. Der fährt zwar auch, lange Freude hat man damit allerdings selten.“

Mit „Fahrrad + Ski“ brachte Heinz Csarmann 1985 als Erster den professionellen Gebrauchtfahrradhandel nach Wien.
Ein Markt im Wandel
Angetrieben durch die Corona-Pandemie und den Boom umweltfreundlicher Mobilität hat sich der Fahrradmarkt in den letzten Jahren stark verändert. „Im 5. Bezirk gab es früher sieben Fahrradgeschäfte, heute sind es fast 30“, sagt Heinz Csarmann. Viele davon hätten allerdings bereits wieder geschlossen – mangelndes Fachwissen, der wachsende Konkurrenzdruck durch Onlineplattformen und steigende Fixkosten machen es schwer, sich langfristig zu behaupten.
Gerade deshalb rät der Fachhändler dazu, beim Gebrauchtkauf nicht nur auf den Preis zu achten, sondern auch auf Qualität und Service: „Wer bereit ist, mehrere hundert Euro zu investieren, bekommt ein solides, gut gewartetes Fahrrad und im Idealfall auch Beratung und Garantie“, so Csarmann. Illusionen seien dabei fehl am Platz: „Wer realistisch bleibt, ein geschultes Auge hat oder sich beraten lässt, kann auf dem Gebrauchtmarkt echte Glücksgriffe machen.“
Wer ein Fahrrad kauft, sollte nicht nur auf den Preis achten, sondern vor allem auf die eigene Körpergröße. „Ein unpassender Rahmen kann zu Haltungsschäden führen“, warnt Thomas „Velofuzzi“, Experte für gebrauchte Fahrräder von Radbazar.at.
Entscheidend ist dabei die Rahmenhöhe, die den Abstand von der Mitte des Tretlagers bis zur Oberkante des Sitzrohrs misst. Je nach Körpergröße gelten folgende Richtwerte:
- Zu 1,50 und 1,60 Metern Körpergröße passt ein Rahmen mit 42 bis 48 cm
(16–18 Zoll). - 1,60 bis 1,70: 48 bis 52 cm (18–20 Zoll).
- 1,70 bis 1,80: 52 bis 56 cm (20–22 Zoll).
- 1,80 bis 1,90: 56 bis 60 cm (22–24 Zoll)
- ab 1,90 Meter: 60 bis 64 cm(24–26 Zoll).
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