Die Formel 1 der Studierenden
Junge Männer, aber auch ein paar Frauen liegen unter den Rennautos, schrauben, tüfteln, besprechen. Wer gerade nicht in der Box oder auf der Rennstrecke zu tun hat, versucht zu entspannen, manche haben die Augen zu. Kaum zu glauben, dass sie dösen können, bei diesem Lärmpegel, der so typisch ist für die Rennstrecke. Doch sie sind müde. Denn die Formular Student verlangt den Teilnehmenden einiges ab.
Vier Tage dauert der Bewerb in Spielberg, dann gibt es eine kurze Pause und die Reise zum nächsten Bewerb in ein anderes Land, eine andere Stadt beginnt. Von früh bis spät dreht sich alles um das Rennauto, mit dem sich die Studierenden so lange schon beschäftigen. Ein Jahr lang stecken sie in den Vorbereitungen. Sie erdenken, planen, konstruieren, testen das Rennauto, sie suchen Sponsoren und Partnerunternehmen, wie AVL, Magna oder Mercedes. Und fahren natürlich auf Teufel komm raus.
Ein Rennteam ist wie ein Unternehmen. Dementsprechend viele Mitglieder haben die Teams. Zwischen 30 und 70 sind es, von Maschinenbauern über Elektrotechniker bis hin zu Marketingstudierenden. Manche von ihnen bekommen für ihr Engagement bei der Formula Student ETCS Punkte (Anm: In jedem Studium ist das Erreichen einer gewissen ECTS-Punktezahl vorgeschrieben). Das primäre Motiv, um teilzunehmen, ist das vermutlich für niemanden hier. Es wäre den Aufwand nicht wert. Die Studierenden tun es aus Leidenschaft.
Elektro und Verbrenner
Hört man sich hier um, muss man sich um die Zukunft der Mobilität keine Sorgen machen. Die Jungen haben Ideen, wollen an verschiedenen Antrieben forschen. Die Konzentration auf eine Antriebsart, wie sie bei den meisten Autoherstellern aktuell verfolgt wird, ist für viele hier in Spielberg nicht ganz nachvollziehbar. „Ich verstehe das Scheuklappendenken in Richtung Elektromobilität nicht“, sagt etwa ein Maschinenbau-Student der Hochschule Esslingen (D). „Es wäre so viel möglich.“ Die Hochschule Esslingen ist mit zwei Autos dabei: Eines fährt mit Elektroantrieb, eines mit Verbrennungsmotor. „Der Antrieb ist Nebensache“, sagt Rieke Ehrsam, organisatorische Leiterin des Teams.
Alexander Gruber ist der technische Leiter des Rennteams der Fachhochschule Joanneum Graz. Er sagt, bezogen auf das Rennen: „Verbrenner sind schon cool. Aber die Elektroautos sind einfach schneller. Und auch die Industrie geht in Richtung Elektromobilität.“ Das Joanneum-Team zählt 73 Mitglieder. Es wird das letzte Jahr sein, in dem sie mit einem Verbrenner antreten. Ab nächstem Jahr nehmen sie mit einem Elektro-Auto an den Bewerben teil. Fertig ist es bereits: „Wir hatten in den Lockdowns viel Zeit, also haben wir ein Auto gebaut“, sagt Alexander Gruber, als wäre es das Natürlichste der Welt.
Hoch professionell
„Das ist Hightech. Wenn man die Verarbeitung ansieht, sind wir nicht mehr weit weg von der Formel 1“, sagt Kurt Steiner. Professor Steiner ist der Vorsitzende des Departments Engineering und Institutsleiter Fahrzeugtechnik/Automotive Engineering an der Fachhochschule Joanneum Graz. Das Joanneum ist eine von fünf österreichischen Hochschulen, die heuer an der internationalen Formula Student teilnehmen. Außerdem sind Teams der Technischen Universität Wien, der Technischen Universität Graz, der Fachhochschule Campus Wien und erstmals auch der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck dabei. Insgesamt sind 54 Teams aus Europa in Spielberg, etwa aus Frankreich, Italien und der Schweiz. Die internationalen Teams blieben heuer coronabedingt fern.
Das ausgerufene Ende der Verbrenner, verändert auch die Curricula der Studiengänge. Kurt Steiner sagt: „Wir vermitten weiterhin die Kompetenz für die Entwicklung von Verbrennungsmotoren, das muss man als FahrzeugtechnikingenieurIn einfach beherrschen. Aber wir haben auch umgeschaltet auf alternative Antriebe und autonomes Fahren. Wir sind gewappnet und unsere AbsolventInnen sind bereit für den Umbruch.“ Er ist sicher, dass künftig elektrisch gefahren wird, „obwohl der Verbrennungsmotor in Randbereichen weiterhin zum Einsatz kommen wird.“ Das anvisierte Enddatum der Verbrenner (2035) sieht er skeptisch, denn die Bedürfnisse der KundInnen könnten mit der aktuellen Technologie noch nicht ausreichend befriedigt werden.
Die Studierenden arbeiten in der Formula Student an neuen und innovativen Ideen. Davon profitieren auch die Unternehmen, von denen sie wiederum gesponsert werden. Für das erste Joanneum-Rennauto mit Elektroantrieb, das nächstes Jahr debütiert, konnte etwa die oberösterreichische Firma Kreisel Electric gewonnen werden. Kurt Steiner sagt: „Die Studierenden, die hier teilnehmen, sind die heißen Eisen, die in allen Unternehmen gesucht werden.“
Die Formula Student ist ein internationaler Konstruktions- und Rennbewerb für Studierende. Die Studis erdenken, planen, konstruieren und stellen die Finanzierung des Rennautos auf. Diese werden in statischen und dynamischen Disziplinen von einer Fachjury bewertet. Das durchdachteste, nicht unbedingt das schnellste, Auto gewinnt.
54 Teams aus Europa mit insgesamt 1.550 Studierenden traten in Spielberg gegeneinander an. Die Hälfte mit E-Autos.
Kommentare