Autosalon Genf: Sitzprobe im Aurus Senat S600
Vielleicht haben Sie die Bilder schon mal im Fernsehen gesehen: Der russische Staatspräsident in seiner neuen Staatslimousine der Marke Aurus. Extra lang, extra schwarz und vor allem aus hauseigener Produktion. Auf dem Genfer Autosalon 2019 (noch bis zum 17. März) zeigt Aurus nun den Senat, eine Luxuslimousine in zwei Ausführungen. Wir hatten die Gelegenheit, uns den Aurus Senat S600 genauer anzusehen und uns hineinzusetzen.
Lassen wir den Aurus Senat S600 (die S-600-Assoziation zur Mercedes S-Klasse scheint nicht ganz zufällig) erst einmal auf uns wirken: Optisch erinnert der Wagen an Rolls-Royce und Bentley. Besonders markant ist der üppige Chromgrill, doch die angepeilte Kundschaft will es wohl so. Außerdem zeigt Aurus damit Selbstbewusstsein nach dem Motto: Seht her, auch wir Russen können Luxusautos bauen! (Das konnten sie auch schon früher, aber nur Kennern sagen die Namen Russo-Balt und ZIL etwas.) Aurus selbst spricht von "stilistischen Lösungen, die von Monumentalcharakter und Erhabenheit geprägt sind." Die Zielrichtung liegt vor allem auf dem Heimatmarkt, dort sollen finanziell potente Kunden von Importfahrzeugen auf den Aurus umsteigen, ebenso führende Kader aus Politik und Wirtschaft. Putin hat es vorgemacht, schließlich wurde Aurus auch dafür geschaffen, seinen Mercedes S 600 Pullman in Rente zu schicken.
Kommen wir zu den technischen Daten: Es gibt den Aurus Senat in zwei Ausführungen. Das ganz dicke Ding ist die Limousine L700 (siehe oben). Sie ist 6,9 Tonnen schwer, da sie nur gepanzert angeboten wird. Die Länge beträgt 6,63 Meter, die Breite 2,02 Meter und die Höhe 1,69 Meter. Bodenfreheit? 170 Millimeter. Der nicht gepanzerte Aurus Senat S600, in dem unsere Sitzprobe stattfindet, ist exakt einen Meter kürzer und misst 5,63 Meter. Auch der Radstand verkürzt sich im gleichen Maß von 4,30 auf 3,30 Meter.
Als Antrieb dient beiden Fahrzeugen ein 4,4-Liter-V8-Benziner mit Unterstützung durch einen E-Motor und intelligentem Allradantrieb. Die Leistung von 598 PS überträgt eine Neungang-Automatik des russischen Herstellers KATE, das Getriebe kommt ohne Drehmomentwandler aus. Sechs Sekunden benötigt der Senat S600 auf Tempo 100, der durch die Panzerung immens schwere L700 respektable neun Sekunden. Die Bereifung hat bei beiden Fahrzeugen das Format 255/55 R20.
Ein tiefer Blick auf das pure Fahrgestell des S600 mit Antriebsstrang zeigt viele Komponenten namhafter deutscher Autozulieferer wie Bosch, Pierburg oder Eberspächer. Ungewöhnlich ist das nicht, schließlich sind dafür Zulieferer da. Apropos Deutschland: Chef der Marke Aurus ist Franz-Gerhard Hilgert, der einst die Daimler-Vertretung in Russland leitete.
Offiziell heißt es, dass an der Umsetzung des Aurus-Projekts russische und ausländische Unternehmen zusammengearbeitet haben. Federführend war das russische Forschungsinstitut NAMI. Die Fahrzeuge von Aurus basieren auf einer einheitlichen Modul-Plattform. Sie lässt eine schnelle und einfache Änderung von Parametern wie Radstand, Fahrzeuglänge und sogar Fahrzeugtyp zu, wie der Luxus-Van Arsenal (siehe Link oben) zeigt. Zudem wurden gepanzerte und nicht gepanzerte Autos gleichzeitig entwickelt.
Wenden wir uns wieder dem Senat zu: Er verfügt über eine Raumlenkerachse hinten und Doppelquerlenker vorne, dazu eine elektromechanische Feststellbremse und eine hydraulische Servolenkung. Serienmäßig sind LED-Scheinwerfer mit Fernlicht-Automatik. Gängige Assistenzsysteme sind auch an Bord, neun Airbags schützen die Insassen.
Zunächst geht es für uns in den Fond des Aurus Senat S600: Hier geht es sehr geräumig zu, verstellbare Sitze mit Belüftung und Massagefunktionen, dazu ein Schluck Krimsekt aus dem integrierten Bar-Fach mit Kühlschrank. Stilgerecht aus zwei Kristallglas-Kelchen, die auf ausklappbaren Tischen ihren Platz finden. Das Gurtsystem schützt die hinteren Insassen laut Auris auch dann, wenn die Sitze sich im 45-Grad-Winkel befinden. Kaum minder wichtig für die einflußreiche Kundschaft: Die Schwellerbereiche sollen bei jedem Wetter sauber bleiben.
Die Füße ruhen auf Fellteppichen, das Leder stammt Aurus zufolge aus russischer Herstellung. Hinzu kommt Edelholz, welches sich im Genf-Wagen nicht sehr danach anfühlte. Auris bietet aber unzählige Alternativen an, nicht nur in Sachen Holz. Auffällig sind die Drehregler mit glasklarer integrierter Temperaturanzeige, sie erinnern an Modelle von Jaguar Land Rover. Im Fond befinden sich je nach Ausführung des Senat drei bis fünf Flachbildschirme, dazu drahtlose Kopfhörer von Harman. Putziges Highlight sind die speziell designten Daunenkissen an den hinteren Sitzen.
Im Fond des Aurus Senat S600 geht es fraglos nobel zu, schließlich sollen sich die Kunden hauptsächlich dort aufhalten. So verwundert auch nicht, dass es auf dem Fahrersitz einen Hauch nüchterner zugeht. Manches, was dort metallisch aussieht, ist nur Kunststoff. Dafür kann der Chaffeur von seinem Platz aus die Fondsitze verstelle und den Heckdeckel elektrisch öffnen.
Ob der Aurus Senat nun unbedingt ein "Eichmaß für Noblesse und Spitzentechnologie" darstellt, wie es die Pressemitteilung behauptet? Das sei dahingestellt, wenn man Rolls-Royce oder Maybach vor Augen hat. Unstrittig ist aber der spürbare Ehrgeiz russischer (und wohl auch deutscher) Ingenieure, ein Fahrzeug der Luxusklasse zu erschaffen.
Wie sind die Pläne der Marke Aurus? Der russische Industrie- und Handelsminister Denis Manturow sagt dazu: "Gegenwärtig spielt der Aufbau der Produktionskapazität eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Marke Aurus. Die positiven Perspektiven der Marke sind offensichtlich und zu den Prioritäten zählen unter anderem die Kooperation mit russischen und internationalen Handelspartnern sowie der sukzessive Weltmarkteintritt der Aurus-Fahrzeuge."
Seit dem 18. Februar 2019 ist die Tawazun-Holding aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zu 36 Prozent an der Aurus Ltd. beteiligt und investiert in den nächsten drei Jahren insgesamt 110 Millionen Euro. Dieses Geld soll in den Aufbau der Serienproduktion und die Vermarktung auf internationalen Märkten investiert werden.
Falls Sie jetzt Lust auf einen Aurus bekommen haben: Die Fahrzeuge können in Russland seit August 2018 beim Hersteller, der Aurus Ltd. Moskau, vorbestellt werden. Offizielle Handelspartner des Herstellers, die Automobil-Gruppe Avilon und das Unternehmen Panavto, nehmen ab dem 15. Februar 2019 ebenfalls Vorbestellungen an. Ein Export ist vorerst nicht geplant.
Im Rahmen der Unternehmensstrategie ist die Schaffung neuer Produktionskapazitäten geplant. Bis zum Ende 2020 soll dieses Projekt in einem neuen Automobilwerk in russischen Region Tatarstan realisiert werden. Dort soll eine Produktionskapazität für alle Aurus-Modelle von jährlich 5.000 Fahrzeugen im Einschichtbetrieb geschaffen werden.
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