Wo ist die „frohe Botschaft“ geblieben?

Es geht uns so gut wie nie, und dennoch suhlen wir uns in Aggression und Abwertung anderer.
Martina Salomon

Martina Salomon

Gibt es eigentlich noch Themen, über die gesellschaftlicher Konsens herrscht, die selbst auf „Twitter“ ohne wilde Aggression gezwitschert werden können? Leider nein. Selbst über die Rettungspläne für die durch einen Brand schwer beschädigte Pariser Kathedrale Notre-Dame kann böse gestritten werden. Ihr Anblick, ausgerechnet in der Karwoche, hat Trauer und große Spendenbereitschaft hervorgerufen. Beides stieß auf Kritik. Darf man trauern, wenn doch eh keine Menschen starben? Ist es nicht ein hohler PR-Trick, wenn Reiche spenden? Gegenfrage: Soll es uns kalt lassen, wenn eine der schönsten Kirchen der Welt brennt? Und darf man sich über reiche Wohltäter nicht auch freuen, die mit ihren privaten Finanzzusagen die Sanierung der mythenbehafteten Kathedrale binnen Tagen sicherten, während sie der französische Staat seit Jahrzehnten verfallen ließ? Es gibt genügend Milliardäre, die ihr Geld auch sozialen Zwecken widmen (siehe Bill Gates und seine Stiftung). Der Prozentsatz schlechter Menschen in Millionärszirkel dürfte nicht höher sein als anderswo.

Ewige Verdammnis?!

Seltsam: Theoretisch sind wir so gesund, reich und gebildet wie nie zuvor. Noch nie gab es bessere Möglichkeiten, sich zu informieren. Und was geschieht? Wir haben den mittelalterlichen Pranger wiedererrichtet, glauben abstrusen Verschwörungstheorien, lehnen wissenschaftliche Erkenntnis mit esoterischer Gefühligkeit ab, geben Andersdenkende der ewigen Verdammnis preis, fühlen uns immer benachteiligt und haben flächendeckend schlechte Laune.

Wer die politischen Debatten in den (a)sozialen Medien verfolgt, fühlt sich manchmal in die Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts zurückversetzt. So hasserfüllt ist der Ton. Damals hat man am Ende aufeinander geschossen. Nein, das wird im heutigen Europa nicht geschehen. 1919 lässt sich Gott sei Dank nicht mit 2019 vergleichen. Damals herrschte durch die tiefe Wirtschaftskrise existenzielle Not, man konnte sich auf kein dicht geknüpftes Sozialnetz verlassen. Aufgepeitscht durch vier Jahre Krieg gab es hasserfüllten Nationalismus.

Wenn wir nun Auferstehung Christi feiern, dann bemühen wir uns doch auch um Auferstehung der „frohen Botschaft“, um Optimismus und Lösungsorientiertheit, zumindest um ein wenig großzügige Gelassenheit. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“: Dieses Prinzip sollte in einer zivilisierten Gesellschaft wirklich nichts verloren haben. Frohe Ostern!

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