Sollten Sie schon länger „auf den Hund gekommen“ sein, bietet Ihnen der jetzt mehr erlaubten „Auslauf“. Hedonismus und Bussi-Bussi-Gesellschaft waren gestern. Und während man jahrzehntelang das Heer für überflüssige Folklore gehalten hat, sind wir nun dankbar, dass uns Wehr- und Zivildiener durch die Krise helfen. Oder die Grippemasken! Ex-Gesundheitsministerin Rauch-Kallat wurde für den massenhaften Kauf während der Vogelgrippen-Zeit verhöhnt, nun riss man sich um die 2006er-
Modelle. Apropos: Die belächelte Liebe der Asiaten zur Schutzmaske wird bald auch zur europäischen Lebensrealität gehören.
Was noch? Ein Essay von Matthias Horx hat mit 1,3 Millionen Zugriffen auf kurier.at unsere Click-Rekorde gebrochen. Eine säkulare Gesellschaft hat Sehnsucht nach Orientierung, daher hängt sie auch staunend an den Lippen von Virologen. Und von Mathematikern! Das unbeliebteste Schulfach war immer schon das am meisten unterschätzte. Kurvenberechnungen bestimmen die jetzige Politik und damit unser Leben. Weil außerdem ein großer Teil des Landes im Homeoffice ist, verzweifeln gerade (fast) alle über technischen Tücken, bekommen oft buchstäblich ungeschminkte Einblicke ins Leben anderer und beheben eiligst ihre digitalen Defizite. Theoretisch hat man es eh längst gewusst: Schulunterricht und Büros könnten deutlich effizienter organisiert werden.
Was dramatisch an Wert verloren hat: Skihüttengaudi! Was um Himmels willen ist in Après-Ski-Lokalen passiert? Eine Erklärung bot ein Sprecher der Seilbahnbranche (der das gerne vertuscht hätte): „Wenn eine Kamera den Betrieb sieht, stehen wir Tiroler da wie ein Hottentotten-Staat“, hatte Franz Hörl schon am 9. März einen Ischgler Wirten gewarnt. Die Ballermann-Szenerie in manchem Alpen-Hotspot war freilich auch ohne Kamera und Virus „daneben“.
Out ist vorübergehend auch das Nulldefizit. Davor hatte es Sinn. Angela Merkel, für ihr stures Festhalten an einem ausgeglichenen Haushalt als „schwäbische Hausfrau“ verspottet, hat jetzt nicht nur Autorität zurückgewonnen, sondern unendlich mehr Reserven als andere für die kommende tiefe Rezession.
Was wir künftig brauchen: Geduld, Anpassungs-, vielleicht sogar Leidensfähigkeit. Corona wird unsere Welt negativ verändern, Arbeitsplätze vernichten. Hoffentlich kehren sie bald zurück, genauso wie offene Grenzen, Kultur, Sport, Wirtschaftswachstum, Unbeschwertheit. Zumindest eine Zeitlang bleiben wird das Wissen um die Brüchigkeit unserer Welt – und das, was dann wirklich noch Wert hat.
Kommentare