Was Frauen an der Spitze anders machen

Kleineres Ego, mehr Fokus auf die Sache – brauchen wir dringend in unserer Macho-dominierten Welt.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Am Dienstag wird das britische Unterhaus über den EU-Austrittsvertrag entscheiden. Aller Voraussicht nach wird Theresa May die Abstimmung verlieren. Damit wären ihre Tage als Premierministerin gezählt. Das Außergewöhnliche an dieser an sich schon besonderen Situation: May hatte einst, als sie noch nicht Regierungschefin war, gegen den Brexit gestimmt. Als Premierministerin nach David Cameron muss sie also etwas exekutieren, wogegen sie persönlich von Anfang an war. Bis hin zur Selbstbeschädigung verhandelte sie einen Vertrag mit der EU aus. Damit die Herren im Parlament sie jetzt auflaufen lassen können.

Womit wir bei ihrer Rolle als Frau wären: Wie viele andere auch kam May erst in einer so gut wie ausweglosen Situation an die Macht. Wie bei anderen Damen in Politik, Management, Kultur muss sie ausbaden, was ein Herr verbockt hat. Wie viele Kolleginnen wird sie möglicherweise scheitern – und nach ihr wieder ein Mann die Meriten einstreifen. Als Nothelferin ahnte sie aber vielleicht, dass es sich um eine Lose-Lose-Situation handelt.

Scherbenhaufen

Aber warum ist es so, dass erst ein Mann versagen muss, damit eine Frau an die Spitze kommt? Leben wir nach wie vor in einer Macho-Welt? Definitiv. Frauen haben im Schnitt höhere Schulabschlüsse und bessere Noten – am Ende sind es aber die Männer, die sogar im gleichen Job mehr verdienen. Die gläserne Decke durchbrechen oft nicht die Frauen selbst, sondern stolpernde Männer, die einen Scherbenhaufen hinterlassen. Zum Aufräumen darf die Frau kommen.

Dass heute bei offiziellen Ausschreibungen Frauen bevorzugt werden, ist als Zwischenschritt nötig, aber in vielen Fällen ein Alibi. Das Ziel muss sein, dass irgendwann nur noch Qualifikation zählt. Ein weiter Weg.

Viele Männer werden in ihrem Alphatier-Gehabe zu Chefs, weil sie sich wunderbar präsentieren können. Weil sie mehr Selbstbewusstsein haben. Weil sie lauter brüllen können und man ihnen dadurch mehr Durchsetzungskompetenz zutraut. Eine brüllende Chefin hingegen hält man(n) für lächerlich – einen Y-Chromosomaten nicht. Vor dem hat man Respekt.

Aber ist eine Frau an der Spitze besser? Weder besser, noch schlechter, sondern anders. Bei aller Gefahr, in Klischees abzugleiten: Frauen sind weniger auf ihr Ego fixiert, mehr auf den Job. Sie sind immer öfter bereit, Himmelfahrtskommandos zu übernehmen. Sie haben weniger Angst vor der Konkurrenz. Letzteres könnte damit zu tun haben, dass sie während ihrer Karriere viele Demütigungen erlebt haben und meist erst in einem Alter an die Macht kommen, in dem sie nichts zu verlieren haben.

Stichwort Alter: Das vergangene Jahr war geprägt von der #MeToo-Debatte. Jetzt ist höchste Zeit, etwas Neues anzuprangern: #Altersdiskriminierung. Laut einer US-Untersuchung war zuletzt in 25 Filmen, die als „Best picture“ für den Oscar nominiert waren, der Anteil an Schauspielerinnen über 60 Jahre . . . 2,6 Prozent.

PS: May ist 62. Kompliment für ihre Konsequenz – auch gegen die Wand zu fahren.

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