Von Ibiza auf den Ballermann

Von Ibiza auf den Ballermann
Schon nach wenigen Tagen ist die Politik zu alten Mustern zurückgekehrt. Zum Glück gibt’s VdB.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Es ist nun eine Woche her, dass . . .

. . . ein Video mit zwei angeberischen, machthungrigen Gockeln, aufgenommen in einer Finca auf Ibiza, die Republik erschütterte;

. . . Strache und sein Adlatus das einzige Richtige getan haben: Rückzug aus allen Funktionen;

. . . Kanzler Kurz ebenso richtig agierte, Neuwahlen ausrief und neue Minister einsetzte (vorübergehend eine Expertenregierung – was auch immer das heißt).

Auf richtig Falsches folgte Richtiges, im Angesicht des Schreckens und im Augenblick der Schockstarre.

Und nun, nach der Woche der Ernüchterung bzw. Ausnüchterung? Man hat den Eindruck, dass die alten Denk- und Verhaltensmuster, der Fokus auf den eigenen Nutzen statt auf das große Ganze, der Kleinkrieg wieder zurück sind. Die Phase der Besonnenheit und Reflexionsbereitschaft hat kürzer gedauert als eine durchschnittliche Pauschalreise auf die Balearen. Auf Ibiza folgt Mallorca: Ballermann.

Egomanie

Die FPÖ mäandert zwischen absurder Distanzierung von ihrem bisherigen Chef und Aufrechterhaltung der auch in ihren Spitzenkreisen beliebten Opferthese.

Die Jetzt-Partei, besser bekannt als Liste-Pilz-Abwicklungsgesellschaft, versucht sich verzweifelt mit dem Misstrauensantrag gegen Kurz zu profilieren.

Die Grünen, knapp über der Wahrnehmungsgrenze, machen außerparlamentarische Opposition.

Die NEOS verhalten sich am konsequentesten, indem sie lautstark „hier“ rufen, wenn es um eine mögliche künftige Regierungsbeteiligung geht.

Die SPÖ befindet sich – wie einst „Asterix“ – rechts und links vom „großen Graben“, mit dem einen oder anderen Methusalix und ein paar mächtigen Häuptlingen, die sich aber lieber auf einem Schild herumtragen lassen als sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Sollte die Partei tatsächlich (und vielleicht erstmals geschlossen) gegen Kurz stimmen, ergäbe das ein starkes Bild: Rendi-Wagner neben Hofer – viel Spaß bei der Argumentation dieser „Koalition“.

Und die ÖVP versucht der Sache nicht nur ihren Spin, sondern sogar einen Topspin zu geben: Gerade noch in einem einträchtigen Doppel, versucht man fliegend zum Einzel zu wechseln – und den Matchball zu schlagen. Ihre Achillesferse ist allerdings, die Opposition bisher völlig ignoriert zu haben. Das weckte dort Rachegelüste.

Allen geht es um (Wähler-)-Masse und Macht. Allen? Dem Präsidenten in der Hofburg offenkundig am wenigsten. Er macht seine Sache bisher exzellent.

Und die Medien? Die erleben einen Aufschwung wie schon lange nicht. Recherchieren, berichten, analysieren, jenseits von Hass und Klischees in sozialen Netzwerken – diese Aufgabe wird zumindest mancherorts erfüllt. Hoffentlich bleibt das lange so. Im Idealfall ist Ibiza für Österreich wie Trump für amerikanische Medien: ein Turbo für Qualitätsjournalismus.

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