Unerträgliche Stumpfheit des innenpolitischen Diskurses

Unerträgliche Stumpfheit des innenpolitischen Diskurses
Dass über die wirklich drängenden Probleme nicht geredet wird, gerät zum „Sicherheitsrisiko“.
Rudolf Mitlöhner

Rudolf Mitlöhner

Ist es wirklich nur die Sommerflaute – oder doch eher eine generelle Entwicklung? Die innenpolitische Debatte dieses Landes gemahnt immer mehr an das berühmte Zitat des früh verstorbenen Grazer Literaturberserkers Werner Schwab: „Sagen Sie es ruhig noch peinlicher.“

Da ist etwa das Hickhack zwischen ÖVP und FPÖ kaum noch erträglich in seiner Stumpfheit und Geistlosigkeit. Karl Nehammer hat irgendwann die Idee gehabt, Herbert Kickl als „Sicherheitsrisiko“ zu bezeichnen – und seither wiederholen er und seine Gefolgsleute den Begriff stereotyp bei jeder Gelegenheit. Wie man überhaupt sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass das FPÖ-Bashing der ÖVP ins Leere geht: Viel Pathos, wenig Substanz.

Um nicht missverstanden zu werden: Es gäbe – gerade auch aus bürgerlicher Sicht – jede Menge Gründe für Kritik an Kickl: von seiner problematischen Russland-Haltung bis hin zu seinem Hang zum Sozialpopulismus (ob mit der Kickl-FPÖ ernsthafte, dringend nötige Reformen machbar wären, darf ernsthaft bezweifelt werden). Aber davon ist kaum die Rede.

Kickl und seine Mannen haben ihrerseits die „Kopiermaschine“ in Stellung gebracht: Was immer die ÖVP nun vorbringt – alles seien nur kopierte FPÖ-Ideen. Dass der VP-Generalsekretär postwendend den Begriff der „Kopiermaschine“ den Blauen an den Kopf wirft, reicht dann nicht einmal mehr für ein müdes Lächeln.

Die Grünen sind – aus ihrer Sicht verständlich – damit beschäftigt, sich die Koalition schönzureden. Sie wissen: ihre Regierungstätigkeit hat ein Ablaufdatum. Und die SPÖ arbeitet am Comeback. Dass Andreas Babler keine klare Linie hat, kann man ihm immerhin nicht vorwerfen. Ob sich damit Wahlen gewinnen lassen, darf bezweifelt werden. Bleiben die Neos, von denen am ehesten inhaltliche, konstruktive Vorschläge kommen, wie immer man dazu stehen mag.

Aber wer befasst sich eigentlich mit den großen Brocken – von der Finanzierbarkeit des Pensions- und Sozialsystems bis hin zur Wettbewerbsfähigkeit des Landes im europäischen und internationalen Kontext? Und apropos Letzteres: Wie soll sich Europa eigentlich in einer sich völlig neu ordnenden Welt aufstellen? Oder haben wir uns mit der fortschreitenden Bedeutungslosigkeit und der schleichenden Entwicklung hin zu einer Art kulturell und kulinarisch luxuriösen Seniorenresidenz ohnedies schon abgefunden?

Um solche Fragen zu beantworten, müsste sich freilich irgendjemand auch Gedanken über die geistig-kulturelle Signatur Europas machen. Aber das ist wohl – auch von der angeblichen Europapartei ÖVP – mittlerweile zu viel verlangt. Dass es nicht passiert, ist dennoch ein echtes „Sicherheitsrisiko“.

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