Überheblichkeit ist fehl am Platz

Den Orden „Demokratie-Junkie“ verdienen all jene, die von sich behaupten können, den Bundespräsidentenwahlkampf vom Beginn bis zum Wahltag verfolgt zu haben. Weniger, weil sie sehr viel Zeit vor den Bildschirmen verbrachten, sondern wegen der – manchmal wirklich wirren – politischen Ansagen, die sie vielfach ertragen mussten. Gefühlt fast jeden zweiten Tag wurde verkündet, dass sofort die Bundesregierung abgesetzt wird, falls es ein Herausforderer von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in die Hofburg schafft. Obwohl das nicht ganz so einfach geht, wie es sich manche Herren vorstellen. Dazu kamen von einigen Kandidaten verbale Ausrutscher ins rechte Eck, die Beobachter bestürzt staunen ließen.
Aber das ist der Preis, den man akzeptieren muss, wenn man für eine Direktwahl des Bundespräsidenten eintritt und 6.000 Unterschriften für eine Kandidatur reichen. Da treten dann eben Bewerber auf, deren Meinung für den Großteil der Wählerschaft schräg wirkt, ganz und gar nicht dem Mainstream entspricht und teilweise natürlich auch Sorgenfalten hervorruft. Dennoch verdienen alle Bewerber jenes Maß an Respekt, das in einer Demokratie die Basis für eine politische Auseinandersetzung sein müsste. Das endgültige Urteil wird dann ohnehin in der Wahlzelle gefällt.
Völlig fehl am Platz ist, wenn solche Kandidaten, die nicht aus dem Establishment der Parteien stammen, mit Überheblichkeit abgekanzelt werden. Das ist in diesem Wahlkampf aber passiert. Begonnen hatte es mit der ORF-Diskussionsrunde Im Zentrum, wo alle – bis auf den nicht anwesenden Alexander Van der Bellen – einer erniedrigenden Fragerunde zu den verfassungsmäßigen Rechten des Bundespräsidenten unterzogen wurden. Davor hatte noch eine Politologin wortreich erklärt, warum sich Van der Bellen nicht in das politische Schmuddeleck seiner Herausforderer begibt. Das fand seine Fortsetzung in so manchen ZiB 2-Interviews und vor allem in sozialen Netzwerken wie Twitter, wo die Zeigefinger-Mentalität besonders ausgeprägt ist.
Wenn etwas an diesem Wahlkampf als beschämend bezeichnet werden muss, dann nicht der eine oder andere Herausforderer des Präsidenten, sondern die Tatsache, dass die beiden größeren Parteien ÖVP und SPÖ keine Kandidatin, keinen Kandidaten gestellt haben. Das kann nicht im Sinn unserer Verfassung sein, in der 1929 die Direktwahl des Bundespräsidenten verankert worden ist. Auch mit dem Ansinnen, dass ihm so mehr Gewicht gegenüber der Regierung und dem Parlament verliehen wird. In diesem Sinne hat sich die FPÖ mit ihrem Kandidaten Rosenkranz diesmal staatstragender erwiesen als ihre schwarzen und roten Kollegen – gleichgültig, welches Motiv hinter der Nominierung steckt.

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