Trumps gefährliche Saat: Unser Feind, der Staat

Die Regierung aufgebläht und korrupt, der Staat ein dunkles undurchsichtiges Konstrukt ("the deep state"), in dessen Untiefen sich schreckliche Geheimnisse verbergen - bis hin zu einem Ring für Kindesmissbrauch mit Ex-Außenministerin Hillary Clinton als Zentralfigur. Donald Trump hat seinen ganzen politischen Aufstieg bis ins Weiße Haus grundsätzlich auf einem Motto aufgebaut: auf der einen Seite die einfachen, hart arbeitenden Amerikaner, auf der anderen der Moloch in Washington, der ohnehin nur seine eigenen Ziele verfolgt und sich bereichert - und an der Spitze des Aufstandes gegen diese böse Elite Trump, der Retter.
Man kann das natürlich lückenlos in die Strategien fast aller Rechtspopulisten der westlichen Welt - inklusive der heimischen - einreihen, doch in den USA ergänzt sich solche Stimmungsmache auf fatale Weise mit einer Grundhaltung vieler Amerikaner, die tief in der Geschichte dieses Landes wurzelt. Der Staat, wenn er überhaupt Gültigkeit hier draußen in der Weite des Landes besitzt, ist weit weg und kann im besten Fall mit ein paar Tagen Verzögerung und ordentlicher Waffengewalt für Ordnung sorgen. Bis dahin aber muss sich ein ehrlicher Mann ohnehin mit der eigenen Waffe um seine Anliegen und seinen Besitz kümmern.
Wiege der Demokratie
Natürlich steht dem ein fast schon idealisiertes Bild von den USA als Hort der Demokratie gegenüber, die man ja wenn notwendig sogar in die ganze Welt exportiert, doch dieses Bild ist zunehmend ramponiert: Wenn der Glaube an die amerikanischen Mythen ("Vom Tellerwäscher zum Millionär"), die Gemeinschaft der freien Bürger und der trotz allem optimistische Blick in die Zukunft einmal verblassen, dann bleibt irgendwann eine Gesellschaft übrig, der in großen Teilen nichts als ihre Wut, ihre betrogenen Hoffnungen und ihre Waffen geblieben sind - und natürlich Donald Trump.
Eine Lüge als Waffe
Der Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021, angeheizt von einer skrupellos missbrauchten Lüge um einen angeblichen Wahlbetrug, war der erste tragische Höhepunkt eines Konfliktes, der dieses Land mit jedem Jahr mehr spaltet. Zwischen den urbanen Eliten von Chicago bis LA und den zersiedelten, von der Wirtschaft verlassenen Landstrichen dazwischen klafft eine riesige weltanschauliche Kluft - die Brücken dazwischen sind abgerissen. Die Razzia des FBI in Trumps Privateigentum mag berechtigt und legitimiert gewesen sein, doch sie liefert dem Ex-Präsidenten wieder einmal Futter für den Opfermythos, den er für sich und seine Anhänger braucht.
Andernorts hatte ein Mann versucht ein FBI-Büro zu stürmen - dabei wurde er erschossen. Das ist möglicherweise erst der erste Tote in diesem herandräuenden Wahlherbst in den USA, in dem es nicht um Themen gehen wird, sondern um eine Stimmung im Land - und die ist düster.

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