Staatsverschuldung: Wenn die Medizin giftig wird

Finanzminister Brunner
Können Sie sich noch an die Maastricht-Kriterien erinnern? Maximal 60 Prozent des BIP darf die Staatsverschuldung erreichen, höchstens drei Prozent die Neuverschuldung. Diese Werte haben wir uns bei der Gründung des Euro ausgedacht, damit er stabil bleibt und kein Land ausschert. Sie gelten übrigens immer noch.
Fast 77 Prozent werden unsere Staatsschulden 2023 betragen, in den vergangenen beiden Jahren lagen wir weit über, im kommenden Jahr mit 17 Milliarden Defizit angeblich knapp unter der 3-Prozent-Marke für die Neuverschuldung. Und dennoch sind ÖVP, Grüne und Finanzminister Magnus Brunner sicher, dass es der richtige Weg ist. Ist es auch. Es gibt gute Gründe, sich zu verschulden.
Wenn die Wirtschaft einbricht, kann man sie durch Staatsausgaben ankurbeln (Keynes). Wenn man durch Investitionen glaubt, gute Rendite zu machen (1 x 1 der Wirtschaft). Oder: um größeren Schaden vom Staat fernzuhalten. Das letzte Argument trifft auf das Budget 2023 zu. Hätte Österreich nicht in die Tasche gegriffen, um die Teuerung zu bekämpfen, wären die Auswirkungen schon im kommenden Jahr dramatisch. Dann wären eine hohe Arbeitslosigkeit und Steuerausfälle der Wirtschaft zu finanzieren gewesen.
Doch es gibt auch große Probleme zu bewältigen: Die Kombination aus steigenden Schulden und höherem Zinssatz (2,87 statt 0,16 Prozent in nur wenigen Monaten) ist toxisch. Schon bald steigt der Zinsendienst von 4,4 auf 8,4 Milliarden Euro jährlich an. Vier Milliarden mehr! Damit könnte man in die ökologische Wende, die Digitalisierung und die Schulen investieren.
Zweitens die fehlenden Strukturreformen: Dass die Regierung die Kalte Progression abschafft und Sozialleistungen automatisch valorisiert, mag richtig sein, nimmt aber Spielraum zur Senkung des Defizits. Da gäbe es mit einem neuen Arbeitslosengeld, einer echten Pflegereform und der seit gefühlt hundert Jahren angekündigten Verwaltungsreform genug zu tun.
Drittens: Wir sind Europameister im Deckeln, Bonus-Zahlen und Abfedern. Sowohl bei Corona als auch bei der Teuerung gibt fast kein Land mehr aus. Aber wer sagt den Bürgern wieder, dass der Staat nicht für alles einspringen und zahlen kann? Dass es nur darum geht, Schaden zu vermeiden, Leid zu lindern oder in die Zukunft zu investieren – und nicht, eine Vollkasko-Versicherung für jede Situation zu sein. (Übrigens: Haben Sie den 500-Euro-Bonus für die nächste Gasrechnung zur Seite gelegt oder schon ausgegeben?)
Die Schulden müssen wieder runter. Weil wir unseren Kindern sonst ihre Zukunft verbauen, weil sie fast nur noch für Zinsen und Pensionen arbeiten müssen. Aber der Weg dorthin wird einer sein, bei dem wir vom jetzt richtigen Kurs des Deficit Spendings wieder zu einem sparsamen Budgetpfad zurückkehren müssen. Das wird großer politischer Staatskunst bedürfen. Denn die richtige Medizin kann, wenn sie zu viel verabreicht wird, auch giftig sein.

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