Kein Untergriff ist, dass wenige Tage vor der Kampfabstimmung jenes Video aus dem Jahr 2020 öffentlich gemacht worden ist, welches Andreas Babler im Gespräch mit dem linken PR-Berater Rudolf Fußi zeigt. Da fährt der Traiskirchner eine aggressive Linie gegen die Europäische Union, die eher dem Angriffsmodus der FPÖ entspricht. Damit hat er viele in seiner eigenen Partei erschreckt, auch wenn er jetzt versucht, diese Anti-EU-Aussagen abzuschwächen.
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Wichtiger ist für die SPÖ aber die Frage, wie es nach dem Sonderparteitag weitergeht. Ob es danach noch möglich ist, die verschiedenen Lager zu einer geeinten Sozialdemokratie zusammenzuführen. Die entscheidende Rolle kommt dabei Wiens Bürgermeister Michael Ludwig zu. Der Chef der mächtigsten roten Landespartei hat in den vergangenen Wochen innerparteilich schwere Schläge einstecken müssen. Zuerst wurde seine Kandidatin Pamela Rendi-Wagner von den Mitgliedern mehrheitlich „abgewählt“. Dann scheiterte er im Bundesparteivorstand mit dem Vorschlag, das Duell zwischen Doskozil und Babler mit einer neuerlichen Mitgliederbefragung zu entscheiden. Bis auf Vorarlberg stimmten alle Bundesländer gegen ihn. Ludwig soll im Präsidium davor aus seiner Abneigung gegenüber dem burgenländischen Landeshauptmann kein Hehl gemacht haben.
Deshalb war es für viele Funktionäre ein wichtiges Zeichen, dass sich Michael Ludwig und Hans Peter Doskozil diese Woche zu einer persönlichen Aussprache in Wien getroffen haben. Genauso ist die Reaktion des Bürgermeisters auf die EU-Ausritte von Babler zu sehen. Ihm war es wichtiger, das Europa-Bild der SPÖ zurechtzurücken, als mit einem Schweigen dem Doskozil-Gegner indirekt zu helfen.
Michael Ludwig macht das durchaus auch aus Eigeninteresse heraus. Seine Funktionäre in Bezirken wie Simmering verstehen nicht mehr, warum er bis jetzt anscheinend mehr auf die Meinungen auf Twitter gehört hat als auf seine Basis. Noch dazu wäre er 2018 nicht Bürgermeister geworden, wenn Twitter-Meinungen mehrheitsfähig wären.
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