Soll die SPÖ Kurz als Kanzler stürzen?

Soll die SPÖ Kurz als Kanzler stürzen?
Die Wut bei den Sozialdemokraten ist groß. Aber Emotion ist in der Regel ein schlechter Ratgeber.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Sebastian Kurz wirkt im Fernsehen stets verbindlich, freundlich, höflich und fast unterwürfig, wenn er anderen Menschen mit Kurz-typischer Verbeugung die Hand reicht.

Aber der Bundeskanzler hat auch eine andere Seite. Er ist ein kühl berechnender Techniker der Macht. Wenn er jemanden nicht braucht, dann lässt er ihn das auch spüren. Die SPÖ brauchte er in den vergangenen Monaten nicht. Er baute keine Gesprächsebene zu ihr auf, ließ sie völlig außen vor. Er knallte ihren Landeshauptleuten Gesetze auf den Tisch, die diese gefälligst zu vollziehen hätten. Er montierte die SPÖ in der Sozialversicherung ab, warf sie aus Nationalbank und Finanzmarktaufsicht. Der Arbeiterkammer drohte er, die Finanzen zu kürzen, und unter den Sozialpartnern schürte er gezielt die Entfremdung.

Und diesem Sebastian Kurz soll die SPÖ beim Misstrauensvotum im Nationalrat die Mauer machen?

Ganz klar: Ja, sie soll.

Es gibt triftige Gründe, die die nachvollziehbaren Parteibefindlichkeiten überwiegen.

Erstens: Es gibt keinen inhaltlichen Anlass für ein Misstrauensvotum gegen den Kanzler. Er hat die Koalition mit der FPÖ gekündigt, Herbert Kickl als Innenminister entlassen. Und als Reaktion darauf will die SPÖ ernsthaft gemeinsam mit der FPÖ im Parlament aufstehen, und den Kanzler stürzen? Vielleicht steht bei der Abstimmung neben Rendi-Wagner dann schon wieder Herbert Kickl als Abgeordneter im Plenum. Super Foto!

Zweitens: In den kommenden Wochen werden die EU-Regierungschefs die Weichen für fünf Jahre Europa-Politik stellen. Wer, bitte, soll da für Österreich auftreten, ohne das Land der Lächerlichkeit preiszugeben? Kurz hat – als Chef der stärksten Partei mit guten Wiederwahlchancen – einfach ein anderes Standing als jeder noch so honorige und gescheite Beamte oder Alt-Politiker.

Drittens: Die SPÖ macht sich lächerlich, wenn sie behauptet, ein reines Expertenkabinett würde „mehr Stabilität“ bringen. Sie hat das mit keinem Argument unterfüttert. In Wahrheit geht es ihr darum, Kurz im Wahlkampf die Bühne als Kanzler zu nehmen.

Inhalt statt Taktik wäre gefragt

Statt mit parteipolitischen Spielchen sollte die SPÖ besser mit inhaltlichen Forderungen auftrumpfen, die der Bevölkerung etwas bringen. Zum Beispiel mit der Wiedereinführung des Rauchverbots.

Auch in der Europa-Politik könnte sie Kurz vom hohen Ross holen. SPÖ und Neos könnten mit dem Kanzler Positionen abstecken, die er im Namen Österreichs bei den EU-Verhandlungen einnehmen soll.

Kurz reagiert auf die Drohung von SPÖ und FPÖ, ihn zu stürzen, übrigens auffallend gelassen. Kalt kalkulierend wie er ist, rechnet er vermutlich schon aus, wie viel ihm der Märtyrereffekt bei der Wahl bringt.

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