Aber die Armen? Laut Budgetdienst des Nationalrates kommen 94 Prozent der Antiteuerungshilfen Menschen in der unteren Einkommenshälfte zugute. Hand aufs Herz: Wir haben eines der bestausgebauten Sozialsysteme der Welt. Ketzerisch könnte man sogar behaupten: Es ist so gut ausgebaut, dass sich für manche das Arbeiten kaum lohnt. Daher will Wirtschaftsminister Martin Kocher nun mehr Druck auf Arbeitslose machen, die nebenher lieber geringfügig beschäftigt bleiben, als eine reguläre Arbeit anzunehmen. „Schikane“, tönte es prompt aus der Arbeiterkammer. Die Erfahrungen mittelständischer Unternehmen bei der Mitarbeitersuche sagen aber anderes: Viele Kandidaten erscheinen nicht einmal zum Vorstellungsgespräch oder haben gröbste Bildungsmängel. Das macht Druck auf die restliche Belegschaft und den Arbeitgeber, der sich oft ohnehin genau überlegen muss, ob eine Arbeitskraft überhaupt leistbar ist. Die SPÖ-Forderung nach 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich kommt daher zur Unzeit: Das rechnet sich ja nur mit noch weiter steigender Produktivität. Außerdem verschärft es den jetzt schon eklatanten Arbeitskräftemangel in Spitälern, Schulen, öffentlichem Verkehr, Gastro und Bau.
Also ist doch alles schlechter geworden? Eigentlich nicht: Wir geben anteilig am Nettoeinkommen viel weniger Geld für Nahrungsmittel aus, als noch vor ein paar Jahrzehnten. Wer über gestiegene Mietpreise jammert, übersieht, dass etwa in Wien 60 Prozent der Mieter im geförderten Wohnbau leben und die Wohnungsqualität stark gestiegen ist. Die Elterngeneration der jetzt Jungen wohnte noch, ohne zu klagen, in Studentenwohnungen mit Klo am Gang. Für die Großelterngeneration waren Fernreisen (unerreichbarer) Luxus. Sie verwirklichten sich ihren Traum vom Eigenheim meist nur unter Entbehrungen. Jetzt gelten sie als „die Reichen“, die der „Generation Z“ Chancen geben. Und, ja, dann gibt es noch die „Superreichen“. Aber niemandem ist geholfen, wenn wir Vermögensaufbau verhindern oder wohlhabende Unternehmer aus dem Land vertreiben. Im Gegenteil, sie zahlen Höchststeuern und sind oft Mäzene. Ja, Österreich braucht Reformen. Aber so arm, wie wir tun, sind wir nicht.
Kommentare