Im Moment hat es den Anschein, als würden wirklich demnächst die Tore einen Spalt aufgehen, und wir könnten wie knapp vor der Befreiung den Gefangenenchor aus „Fidelio“ anstimmen – „o welche Lust“. Die Bundeshauptstadt ist doch nicht anders, öffnet ebenso wie alle anderen Bundesländer, Wien ist wieder Österreich oder umgekehrt, je nach Sichtweise. Was uns das wohl sagen will.
Im Lebensgefühl vieler Menschen ist dieser hoffentlich finale Schritt der Öffnung einer in die Freiheit. Nach 14 Monaten mit viel Leid unter primär Betroffenen und großen Restriktionen unter sekundär Betroffenen zeichnet sich endlich das versprochene Licht am Ende des Tunnels ab. Wir dürfen uns allerdings keinen Illusionen hingeben: Ganz vorbei ist es noch lange nicht, wird es vermutlich auch in den kommenden Jahren nicht sein. Das Coronavirus ist gekommen, um zu bleiben, kluge Menschen hatten das schon bald nach Ausbruch prognostiziert. Wir müssen also aufpassen wie die Haftelmacher, damit es nicht mehr mit voller Wucht zuschlägt. Dank der Impffortschritte und der Präventionskonzepte sollten wir aber in der Lage sein, weitere strenge Lockdowns zu verhindern.
Für Bilanzen ist es noch zu früh. Aber wir können uns schon einmal – wie der geniale Michael Pammesberger in seiner Samstags-Karikatur (siehe unten) – Gedanken darüber machen, wie dereinst das Corona-Denkmal, das die Protagonisten sich und uns gebaut haben, wirklich aussehen wird. Das Zitat mit dem Denkmalbauen stammt übrigens aus einem Song der Band „Wir sind Helden“ – und leider haben sich viele Akteure in dieser Zeit viel zu unkritisch als solche gefühlt.
Fest steht jedenfalls: Das Aggressionslevel ist auf allen Ebenen massiv gewachsen – das wieder abzubauen, wird eine der schwierigsten Aufgaben. Evident ist auch: Die meisten Parteien haben sich ideologisch noch mehr einzementiert und das Freund-/Feind-Schema zur Maxime ihres Handelns, zum pandemischen Imperativ erhoben: Agiere stets so, wie du von deinem Gegner nie behandelt werden willst. Auch die Egozentrik ist bedrohlich gewachsen und ein konstruktives Miteinander in weite Ferne gerückt. Dass man etwa die Herausgabe von Akten nur noch über den Bundespräsidenten sicherstellen kann, ist ein Warnsignal für ein aus dem Lot geratenes Machtgefüge. Vieles dessen, was seit März 2020 passiert ist, ist überhaupt zum Schämen. Insgesamt sollten wir uns eingestehen, dass wir gut, aber auch nicht besser als die meisten anderen durch die Krise gekommen sind.
Unsere To-do-Liste daher: Bewusstmachen der Fehler, Analysieren und ein Mahnmal errichten auf der einen Seite – manches lieber Vergessen auf der anderen. In Letzterem war Österreich ja zumeist besonders erfolgreich.
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