Schwierige Überzeugungsarbeit für den ÖVP-Wähler

Er raunzt gerne und oft, eigentlich immer, der bürgerliche Wähler – und, ja, dieser Schwierige ist häufiger ein Mann. Das Verhältnis zu „seiner“ Partei ist oft genug das eines enttäuschten Liebhabers. Er würde ja so gerne dazu stehen, die ÖVP zu wählen. Er würde sich ja so gern engagieren, aber irgendwie sind die meisten Politiker dann doch nicht ganz sein Niveau. Kaum jemals ist er zufrieden, speziell mit dem Parteichef, ausgenommen die Zeit von Sebastian Kurz und Wolfgang Schüssel. Es gehe ihm um Inhalte, sagt der ÖVP-Wähler, meint aber (so wie alle anderen auch) eher Eigeninteressen. In erster Linie wünscht er sich wohl eine glamouröse Galionsfigur – Inhalte bitte nur, die nicht wirklich wehtun. Kurz hatte das perfekt verkörpert. Schüssel hingegen stand zu klaren, mutigen Vorstellungen. Seine Abwahl durch Alfred Gusenbauer war Kurz eine Warnung: Mit einer Pensionsreform lassen sich Wahlen verlieren (genauso wie mit einer Arbeitslosenreform, siehe Gerhard Schröder, SPD).
In Karl Nehammers Reden hört man oft: „Redlichkeit“ und „Verantwortung übernehmen“. Dafür möchte er stehen. Wird es für die kritischen ÖVP-Wähler reichen? Parteiinterne Alternativen für ihn wären Finanzminister Magnus Brunner oder Karoline Edtstadler. Der eine gilt im bürgerlichen Lager als zu weich, die andere womöglich als zu hart.
Bleibt also doch Nehammer. Der bemühte sich nun mit einem „Österreichplan“, diese Woche, starke bürgerliche Markierungen zu setzen. Darin befinden sich Schlagworte wie „Leistungsträger“, „österreichische Identität“, „stärkerer Kapitalmarkt“, „geordnete Migration“ und sogar „Integration heißt Anpassung“. Labsal für die geplagte Seele des ÖVP-Wählers. Wobei die zweifelnde Frage berechtigt ist: Warum erst jetzt (wieder)?
Weil diese Regierung „durch heftige Wogen des Schicksals“ gehen musste, wie es Nehammer fast pathetisch beschrieb. Was er nicht erwähnte: Es gibt einen Koalitionspartner, der bei solchen Begriffen Ausschlag kriegt. Das allerdings wird auch in einer möglichen nächsten Koalition mit der SPÖ nicht leichter, ginge am ehesten mit den Freiheitlichen, die aber als Koalitionspartner wegen Herbert Kickl für die ÖVP angeblich nicht infrage kommen. Was wiederum nicht alle ÖVP-Wähler verstehen. Schließlich wollen sie in erster Linie keine linke Regierung. Doch gerade im linken Spektrum gibt es das größte Gedränge – von der Babler-SPÖ, über KPÖ, Bierpartei bis zu der sozialpolitisch ja auch linken FPÖ. Eine wirkliche Alternative hat er also nicht, der gemäßigt rechte/konservative/bürgerliche Wähler in der Mitte. Karl Nehammer hat noch ein paar Monate Zeit, seiner potenziellen Klientel zu vermitteln, dass er unter den drei möglichen Kanzlerkandidaten (angesichts der Alternativen) zumindest das geringste Risiko fürs Land ist.

KURIER-Herausgeberin Martina Salomon
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