Schweigt, weil Ihr seid eh bald tot?

Schweigt, weil Ihr seid eh bald tot?
Wo viel „getweetet“ (gezwitschert) wird, entblößt bald einmal einer sein Spatzenhirn.

Kolumne "Alt, na und?" von Ruth Pauli

Auch eine lustige Alte muss manchmal ernst werden. Wenn auch nicht freiwillig.Diesmal war der Internet-Kommunikationskanal Twitter Stein meines Anstoßes. Jener Kurznachrichten-Verbreiter („Tweets“), der die dicke Luft über den Stammtischen ins Weltweite ausdehnt. Wo viel „getweetet“ (gezwitschert) wird, entblößt bald einmal einer sein Spatzenhirn. Das kann gefährlich werden - in der Weltpolitik, wenn der amerikanische Präsident uns um Kopf und Kragen tweetet, in der Wirtschaft, wo eine einzige Nachricht Aktienkurse ins Bodenlose stürzt.
Und jetzt haben die jungen deutschen Klimaaktivisten eine Klimakatastrophe der anderen Art herbeigezwitschert. „Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jedes Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei.“
Erst denken, dann twittern – wäre wohl ein guter Grundsatz. (Freilich scheint so mancher Slogan bei den Demos zu beweisen, dass mehr Denk-Zeit allein auch nicht ausreicht – „Die Erde ist kaputter als die Hüfte Deiner Oma“.)

Klimawandel und die Diskussionen dazu

Die unfreundliche Botschaft „Schweigt, weil ihr seid eh bald tot“ regt mich wenig auf (und ich denke, da geht es vielen anderen Alten ähnlich). Ein „Krieg der Generationen“ wird schon nicht daraus werden, dazu sind wir Alten nicht wehleidig genug. Aber es verstärkt viele Zweifel, wirft viele Fragen auf.
Fast jede junge Generation hat irgendein „revolutionäres“ Thema gefunden, mit dem sie gegen die Altvorderen gekämpft hat. Noch heute weisen sich hierzulande manche stolz als „68er“ aus – und bauen auf das Vergessen, denn „68“ hat in Österreich nicht stattgefunden. Diesmal aber scheint etwas ganz anders zu laufen.
Es macht einfach stutzig, dass ausgerechnet bei einem naturwissenschaftlichen Thema wie dem Klimawandel die wissenschaftliche Diskussion verweigert wird, statt   Argumente auszutauschen und im fachlich-sachlichen Streitgespräch zu überzeugen, werden „Andersdenkende“ als „Klimaleugner“ abgetan und zum Schweigen verdammt. Die Grundlagen der klima-apokalyptischen Modellrechnungen werden nicht offengelegt – ein in der Wissenschaft einzigartiger Fall. Alles, einfach alles wird mit der Klimakatastrophe erklärt (so wie vor 50 Jahren die Atombomben an allem schuld waren), ob es logisch ist oder nicht. Und ganz andere Süppchen werden auf dem Feuer des Idealismus der jugendlichen Klima-Demonstranten gekocht – antikapitalistische, planwirtschaftliche und autoritäre auf der einen Seite, auf der anderen handfest materialistische, denn im Namen der Klima-Rettung können in Wirtschaft und Forschung Milliarden lukriert werden.

Der Glaube an eine Zukunft

Man hat in seinem langen Leben schon viel gesehen. Man hat Ideen kommen und gehen, Katastrophen-Szenarien aufblühen und verglühen gesehen. Man betrachtet daher mit den Jahren vieles, auch den Klimawandel, anders als die Jungen, weniger aufgeregt, nicht nur mit dem Herzen.Aber das unangenehme Grundgefühl, dass einer Jugend mit Weltuntergangs-Phantasien Optimismus, Freude und Hoffnung genommen wird, macht betroffen. Die Propheten des „Kehret um, das Ende ist nahe“ haben immer viel Unheil angerichtet.
Ich bin alt und glaube allem Getwittere zum Trotz an (m)eine Zukunft. Und ich wünsche mir, dass die Jungen das auch wieder tun. Sonst sind sie noch alt, bevor sie jung waren.

Ruth Pauli ist alt (69) und lebt und schreibt gerne. Früher war sie lange Jahre innenpolitische Kolumnistin beim KURIER.

altnaund@kurier.at

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