Wenn Hans Peter Doskozil gewinnt, sind zunächst einmal all jene vor den Kopf gestoßen, die an Pamela Rendi-Wagner als Parteichefin festgehalten haben, allen voran der Wiener Bürgermeister. Machtstrategisch unerklärlich, warum sich Michael Ludwig so klar positioniert hat. Nicht wenige werden Kritik an Doskozils bisheriger, durchaus populistischer Politik üben. Für die SPÖ bedeutet seine Kür allerdings die Chance, nach rechts abgewanderte Stimmen zurück zu gewinnen. Dass er bei der Nationalratswahl 2024 Nummer 1 wird, ist ein kühner Traum, zumindest einen Hauch von Dreikampf um die Spitze könnte es mit ihm aber geben. Und der Weg für Kickl ins Kanzleramt wird schwieriger, wenn auch Doskozils Distanzierungen von ihm weniger klar ausfielen als die seiner Mitbewerber um den Parteivorsitz. Nicht wenige werden ihm noch eine Weile nachtragen, wie er eine Frau aus der Löwelstraße geputscht hat, durch jahrelange Querschüsse aus dem pannonischen Flachland.
Falls Rendi-Wagner gewinnt, dann ist es ihr tatsächlich gelungen, ihren schärfsten Kritiker mit einem höchstriskanten Manöver vor klare Tatsachen zu stellen – allerdings nur vorübergehend. Dass HPD fürderhin still im Seewinkel verharrt, ist so gut wie ausgeschlossen. Und was heißt das für die SPÖ in Hinblick auf kommende Wahlen? Sie wird weiterhin abhängig von der Performance anderer sein und sich wohl auf dem gesicherten dritten Platz finden.
Und falls Andreas Babler obsiegt? Dann gibt es Jubel bei jenem Flügel, dem manche Inhalte wichtiger sind als Zugewinne. Und die Bezeichnung Großpartei könnte nur noch mit dem Zusatz „ehemalige“ angemessen sein. Vom Ballhausplatz ist man dann wahrscheinlich weiter entfernt als im Wahlergebnis von Grün oder Neos.
Jedenfalls zeigt dieser psychologisch lehrreiche Selbstfindungsprozess ein Grundsatzproblem heutiger Politik, weit über die SPÖ und Österreich hinaus: Es droht ein Fachkräftemangel bei den Spitzenkandidaten. Wer sich das noch antut, braucht entweder ein Mega-Ego oder masochistische Züge. Und Wahlen gewinnt man längst nicht mehr mit besonnener, konstruktiver, zukunftsgerichteter Politik, sondern beim Heulen mit den Wölfen. Sehr tragisch alles.
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