Pro und Contra: Muss die EU auf Atomkraft setzen?

THEMENBILD-PAKET: ATOMKRAFT / AKW TEMELIN
Gaskrise, Klimawandel - ist Nuklearenergie (noch länger) die Lösung?
Robert Kleedorfer

Robert Kleedorfer

Naz Kücüktekin

Naz Kücüktekin

PRO

Es war im März 2011, als nach einem Erdbeben das Atomkraftwerk im japanischen Fukushima in die Luft flog und ein großes Gebiet verstrahlte. Kurz darauf vollzog Deutschlands damalige Kanzlerin Angela Merkel einen radikalen Meinungsschwenk: raus aus Atomkraft. Die Betreiber mussten mit 2,4 Milliarden Euro entschädigt werden. Die tatsächlichen  Folgen dieser Hauruck-Entscheidung werden aber erst jetzt spürbar.

Es könnte infolge des Kriegs in der Ukraine und des möglichen Stopps russischer Gaslieferungen ein Energienotstand drohen. Und das nicht nur in unserem Nachbarland, sondern in einigen Teilen Europas. Dem gilt es vorzubeugen und daher ist es grundvernünftig, Meiler nicht voreilig vom Netz zu nehmen, solange sie in einem guten Zustand sind.

Belgien verlängert daher die Laufzeit seiner Werke nun um 10 Jahre und Deutschland folgt hoffentlich. Frankreich wiederum baut neue Meiler, die dank moderner Technik immer sicherer werden. Es wird unabhängig der russischen Drohungen nicht anders gehen, denn der  Energieverbrauch steigt weiter an. Der Ausbau von Wind- und Sonnenkraft wird zu wenig sein, um den Bedarf zu stillen. Zudem wird Atomkraft von der EU als nachhaltige Energieform charakterisiert, da Co2-neutral.

Die Österreicher entschieden sich 1978 in einer Volksabstimmung knapp gegen die Atomkraft im Land. Im Sinne der europäischen Solidarität und der aktuellen Lage sollte dieser Standpunkt neu gedacht werden.

Robert Kleedorfer ist stellvertretender Wirtschaftsressortleiter

CONTRA

Bei großer Verzweiflung  neigt man zu Panikreaktionen und nicht gut durchdachten Entscheidungen. Das sieht man derzeit bei der Europäischen Union – und ihrer  Erwägung, angesichts Putins Angriffskriegs auf die Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise auf Atomkraft zu setzen. Dass man sich viel zu lange vom Gas eines unberechenbaren Autokraten abhängig gemacht hat, soll nun schnell mit Energie aus Kernspaltung ausgeglichen werden. Eine Debatte, die man vor Jahren begraben hatte, ist damit wieder eröffnet.

Dabei sind die Nachteile nach  wie vor dieselben: Atomkraftwerke sind unsicher, Unfälle   machen ganze Gegenden für Jahrzehnte unbewohnbar. Kürzlich stufte das EU-Parlament Atomenergie zwar als „grün“ ein, weil bei der Herstellung kein  ausgestoßen werde, doch nachhaltig ist sie keinesfalls. Der Abbau vom benötigten Uran erfordert   sehr viel Energie. Und eine Lösung für die Endlagerung des atomaren Mülls gibt es auch nicht. Jeder neue Brennstab, in den jetzt investiert wird, ist eine Investition in die Vergangenheit.  

Auch in Notsituationen  darf man nicht das Ziel aus den Augen verlieren. Denn Putin hin oder her: Das Thema Energie wird uns noch länger beschäftigen. Ohne eine richtige Wende, also das Setzen auf wirklich erneuerbare Energien (Wasser, Wind, Sonne), haben wir den nächsten Krieg schneller als gedacht vor der Türe stehen:   jenen gegen die Natur. Der menschengemachte Klimawandel lässt bereits grüßen.      

Naz Küçüktekin ist Redakteurin bei  Mehr Platz

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