PRO:
Wieder einmal sorgen Kleiderordnungen an Schulen – zuletzt in Klagenfurt und Stockerau – für große Aufregung. Offensichtlich ist es nicht selbstverständlich, dass man sich in der Schule angemessen – früher hätte man gesagt „ordentlich“ – anzieht. Nein, dabei geht es nicht darum, dass das knappest geschnittene T-Shirt oder die Hotpants der Schülerinnen bei ihren männlichen Klassenkollegen oder gar den Lehrern dem Lernfortschritt hinderliche Hormonschübe auslösen würden (zurecht gelten etwa auch Hauben bei Schülern beiderlei Geschlechts als unerwünscht). Sondern um so altmodische Dinge wie Respekt und Achtung. Um ein Gespür für den Unterschied zwischen den verschiedenen Sphären des Privaten und des Öffentlichen.
Die Schule ist – auch wenn eine zeitgeistige Pädagogik das suggeriert – keine Wohlfühloase, der Unterricht kein Get-together, der Lehrer kein Buddy – sondern es geht um eine erste Einübung von öffentlichem Auftreten: Zuhören, zivilisiertes Gespräch, Courage, Empathie zählen dazu – und das Verständnis dafür, dass Form und Inhalt einander bedingen; dass, wer die äußere Form destruiert, auch den Inhalt beschädigt.
Das alles gilt natürlich nicht nur, aber eben – weil ihr eine gesellschaftliche Schlüsselstellung zukommt – in besonderer Weise für die Schule. Dass solches nur mehr schwer vermittelbar ist, darf man indes getrost als eine Folge der über Jahrzehnte gezielt betriebenen Diskreditierung der „Sekundärtugenden“ benennen.
Rudolf Mitlöhner, Redakteur Innenpolitik
CONTRA:
Mit bauchfreiem T-Shirt und kurzen Hotpants darf man in einer Stockerauer Schule ab sofort nicht mehr im Klassenzimmer sitzen, selbst bei sommerlichen Temperaturen nicht. „Kleiderordnung“ ist das böse Wort, das viele noch aus ihrer Schulzeit kennen. Schon damals gab es unter Lehrenden und Lernenden immer wieder Diskussionen, welche Kleidungsstücke als „angemessen“ gelten und welche nicht. Eine Frage, die sich Schülerinnen und Schüler deshalb gezwungenermaßen stellen müssen, ist: Wieso beurteilt eigentlich jemand anderer, wie ich mich zu kleiden habe? Dabei sollte eine andere Frage im Vordergrund stehen: Wen stört das bauchfreie T-Shirt eigentlich? Stört es das Lehrpersonal, das sich durch einen Nabel-Blitzer vom Unterricht ablenken lässt? Das wäre absurd. Trotzdem sollte der Blick in die andere Richtung gerichtet werden. Denn das Problem liegt nicht bei Hotpants tragenden Mädchen, sondern bei denen, die sich durch so etwas vom Schulalltag abbringen lassen. Vorschriften zum Verbot von zu freizügiger Kleidung einzuführen, wie es das BRG Stockerau getan hat, führt zu medialem Rummel. Ob derartige Regelungen die Schule bei ihrer eigentlichen Aufgabe, der Wissensvermittlung, weiterbringen, ist fraglich. Es gibt in Schulen sicherlich relevantere Themen, die auf die Tagesordnung gehören: ausgewogenere Lehrpläne und das Einbringen von digitalen Angeboten in den Schulalltag zum Beispiel. Leider ist es das 14-jährige Mädchen mit bauchfreiem T-Shirt, das für Aufregung sorgt.
Helena Weisz, Volontärin Chronik
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