Gendergerechte Sprache: Muss das sein? Ein Pro und Contra

Liebe Leserinnen und Leser, Nationalratspräsident Walter Rosenkranz hat die Richtlinien, wie das Parlament kommuniziert, überarbeitet. Eine Anrede wie am Beginn dieses Texts ist künftig auch in der offiziellen Korrespondenz des Hohen Hauses möglich, Gendersternchen wie bei Leser*innen, Doppelpunkte oder das berühmtere Binnen-I sollen künftig aber nicht mehr vorkommen.
Man wolle sich als staatliche Institution an die Regeln des Rats für die deutsche Rechtschreibung halten, ließ Rosenkranz wissen. Es ist der jüngste Vorstoß in der lange schwelenden Debatte zu gendergerechter Sprache. Bereits vor zwei Jahren hatte der damalige Bundeskanzler Karl Nehammer mit seinem Vorstoß, das Binnen-I aus der Verwaltung zu verbannen für Aufregung gesorgt.
Was halten wir davon? Wir haben unsere Kollegin Claudia Stelzel-Pröll und Kollegen Dominik Schreiber um ein Pro und Contra gebeten.
PRO: Der Doppelpunkt: eine Bedrohung für die Republik?
Sprache schafft Realität. Die Zeiten, in denen sich die Hälfte der Bevölkerung „mitgemeint“ fühlen soll, sind vorbei. Die deutsche Sprache bietet konkrete Begriffe für weibliche Personen. Die benutzen wir bitte. Ein Gedankenexperiment: Gehen wir davon aus, dass es keinen Mann stört, „mitgemeint“ zu sein. Wir benennen künftig nur noch Ärztinnen, Managerinnen und Physikerinnen. Ist kein Problem, Doktor Who, wir reden auch von Ihnen!
So schwierig ist die Umsetzung des bösen G-Wortes nicht. Wer mag und sich ein bisschen bemüht, kriegt das hin. Wenn es mal nicht gelingt, war es den Versuch wert. Es kann vielfältig agiert werden, elegant Gendern ist möglich. Dass Nationalratspräsident Rosenkranz (FPÖ) nun Genderzeichen in allen Texten des Hohen Hauses verbietet, ist vorgestrig peinlich. Welche Bedrohung für die Republik geht von Doppelpunkten und Schrägstrichen aus? Wir werden es nie erfahren.
Zur Autorin: Claudia Stelzel-Pröll ist Redakteurin in der OÖ-Redaktion des KURIER.
CONTRA: Die Schönheit der Sprache ist unantastbar
Es geht längst nicht mehr um die Schönheit der Sprache, sondern um einen politischen Kulturkampf – wer für die Sternchen ist, ist ein Linker, und Gegner sind Rechte.
Schauen wir auf die Fakten: Texte werden im Internetzeitalter kürzer und die Aufmerksamkeitsschwelle endet bei immer mehr Lesern irgendwo zwischen dem zweiten und dritten Satz. Tatsächlich werden Texte durch Gendern unübersichtlich und unlesbar. Wer sich das privat antun möchte, der soll das gerne tun. Aber Gesetze und Behördentexte sind kompliziert genug, um sie auszuschmücken mit sprachlichen Girlanden. Der Rat der deutschen Rechtschreibung, der zu einem guten Drittel mit Frauen besetzt ist, hat sich deshalb einhellig gegen das Gendern ausgesprochen. Frauen werden immer noch diskriminiert und das sollte jeder bekämpfen. Das ist aber kein Grund, um die Schönheit der deutschen Sprache zu zerstören, diese kann auch nichts dafür.
Zum Autor: Dominik Schreiber ist Chefreporter in der Chronik.
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