Doch inwieweit helfen exakt definierte Kategorien wie "schwul", "lesbisch", "bisexuell", "transsexuell" oder auch "pansexuell" dabei, diese Sichtbarkeit zu unterstützen? Sind diese überhaupt noch zeitgemäß oder längst überholt – im Sinne eines kollektiven Zusammenrückens zur Mitte der Gesellschaft? Im Sinne der Liebe, die am Ende niemals einen Unterschied machen sollte? Zwei Meinungen aus der KURIER-Redaktion.
Queer, hetero-, homo-, a-, bi-, allo-, pansexuell. Das amouröse heterosexuelle Vorbild aus Frau Eva und Mann Adam ist nur eine Möglichkeit aus dem breiten Spektrum der sexuellen Orientierung. Manche identifizieren sich klar mit einem Label; andere mit gar keinem und wieder andere bemerken, dass sich das Objekt der Begierde - gemeint ist nicht ein Individuum, sondern wovon man sich sexuell angezogen fühlt - verändert.
Ja, sexuelle Orientierung kann fluide sein und manche tanzen zwischen den Labels. Die Worte, die wir dafür gefunden haben, sind linguistische Hilfsmittel, um die sexuelle Vielfalt in Kategorien einzuordnen. Kategorien. Das klingt einschränkend, ausgrenzend. Es kann aber auch Identität und Zugehörigkeit bringen. Sexuelle Orientierung zu benennen, kann eine Waffe gegen Diskriminierung sein. Denn was Menschen nicht verstehen, lehnen sie schneller ab.
Das Lernen „neuer“ Vokabel und somit der dahinterliegenden Bedeutungen kann in die jahrzehntelange fast salonfähige Diskriminierung nicht heterosexueller Personen Löcher stanzen. Natürlich, die Kategorien können auch Werkzeug der Diskriminierung sein, das die Schubladisierung erst zimmert. Gleichzeitig bringt die sprachliche Auseinandersetzung die Vielfalt sexueller Orientierungen erst aufs Tableau und damit ins kollektive Bewusstsein.
Wir brauchen die Kategorien als Schlüssel der Aufklärung – noch. Vielleicht so lange, bis es wirklich keine Rolle mehr spielt, wen man liebt und mit wem man Sex hat. Bis dahin, lasst uns über Sex reden.
Diana Dauer ist Redakteurin am KURIER-Newsdesk.
Wir leben in einer Gesellschaft, die von Normen und Kategorien bestimmt wird. Nicht schwierig, hier einen Zusammenhang zu erkennen. Absurd ist es aber schon: Wir haben durch unsere Kultur und durch unser besessenes Streben nach einem allumfassendem Verständnis diese Regeln und Kategorien selbst erschaffen. Nun leiden wir darunter. Typisch Mensch, irgendwie.
Schon in der Homo-Befreiungsbewegung der 70er-Jahre stand eine streng abgegrenzte „gay identity“ im Fokus. Gut gemeint, aber die Folge war ein enormer Druck innerhalb der Community: Bist Du nicht wie Ich, ist das Du auch kein Wir. Die mögliche Ausgrenzung wurde zum permanent bedrohlichen Damoklesschwert, Fragen der Dazugehörigkeit lösten eine kollektive Umarmung ab. Verändert hat sich in den letzten 50 Jahren nur bedingt etwas. Die LGBTIQ-Community – trotz wachsendem Buchstabensalat – ist nach wie vor von Stigmatisierung und Ausschluss in den eigenen Reihen geprägt.
In einer Zeit der (an)gepriesenen Individualität dürfen Schubladen keinen Platz mehr haben. Der Begriff „Queer“ im akademischen Sinn definiert sich durch Nicht-Definition und Offenheit. Scheinbare Oppositionen wie homo/hetero, innen/außen, natürlich/unnatürlich, Mann/Frau werden aufgelöst und obsolet. Lasst uns doch alle etwas mehr queer sein.
Das Ich ließe sich so leichter finden.
Und lieben.
Manuel Simbürger ist Redakteur am KURIER-Newsdesk