Parlament: Die Schatten der Vorgänger

Abtretende Regierungen sollten nicht mehr in letzter Minute (teure) Entscheidungen treffen können.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wie rational sind Entscheidungen von Parlamentariern, die sich schon im Wahlkampfmodus befinden? Für die Abschaffung des Pflegeregresses im Vorjahr spricht zwar einiges, dennoch war der blitzartige Beschluss eine Art ungedeckter Scheck. Und die Verlängerung des („großkoalitionär“ besetzten) AMS-Vorstands um weitere sechs Jahre, ein Dreivierteljahr vor Auslaufen des Mandats, mag zwar üblich sein, nimmt einer neuen Regierung aber die Möglichkeit, andere Akzente zu setzen. Auch anderswo, u. a. in Asfinag und ÖBB, wurden letzten Herbst noch Spitzenjobs neu besetzt: mit zwei durchaus sehr qualifizierten, aber eindeutig parteipolitisch punzierten Frauen. Die eine steht Wiens mächtiger SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner nahe, die andere ist zufällig Arbeiterkammer-Expertin. Es ist daher nicht ohne Ironie, wenn sich die oppositionelle SPÖ nun über Umfärbeaktionen der Regierung empört.

Sebastian Kurz war damals übrigens schon VP-Chef, ließ aber alles geschehen, weil er (Wahlkampf-)„Brösel“ scheute. Er scheint kein großes Vertrauen in das sozialpartnerschaftliche AMS-Duo Johannes Kopf & Herbert Buchinger zu haben. Werden sie mit ihren frischen Verträgen ausgetauscht, wird das die Republik teuer zu stehen kommen. Ob sich inhaltlich etwas ändern würde, ist allerdings fraglich. Denn die (dank eines internen Revisionsberichts) bekannt gewordenen Probleme bei der Vermittlung von Afghanen, Tschetschenen und Syrern sind vorrangig ein Wiener Sittenbild. Und das föderale AMS wird ja auch noch von neun Landes-Chefs geleitet. Daher wäre eine echte Umstrukturierung des Systems der staatlichen Arbeitsvermittlung und Qualifizierung noch sinnvoller als ein Personalaustausch an der Spitze.

Am wichtigsten aber wäre ein Gesetz, wonach der Nationalrat ab der Ausschreibung von Neuwahlen keine Reformen beschließen darf, die künftige Budgets belasten.

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