ORF-Finanznot: Verkauft einen Sender!

ORF-Finanznot: Verkauft einen Sender!
Bevor die Regierung die Finanzprobleme des ORF löst, sollte sie sich über eines klar werden: Braucht es soviel „Rundfunk“ im Digitalen?
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

„Man muss sich die Frage stellen, was ist einem der öffentlich-rechtliche Rundfunk wert?“, fragte jüngst der amtierende ORF-Generaldirektor Roland Weißmann. Er bezog sich auf das drohende dreistellige Millionenloch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Den Ball sieht er zurecht bei der Medienpolitik.

Bevor diese aber anfängt, das Loch zu stopfen, sollte eine andere Frage abschließend beantwortet werden: „Was verstehen wir noch unter öffentlich-rechtlichem Rundfunk?“ Herrscht hierüber Klarheit, wird sich die Dotierung des ORF-Budgets von allein lösen.

Denn: Wie viel „Rundfunk“ ist in den kommenden zehn bis 15 Jahren noch notwendig? Der ORF selbst will aus gutem Grund online stärker präsent sein und Videos auch dann veröffentlichen dürfen, wenn kein „Sendungsbezug“ zum Fernsehprogramm besteht. Derzeit gilt, vereinfacht gesagt: Läuft eine Doku auf einem ORF-Sender, dann darf sie sieben Tage lang in der TVthek zum Abruf bereit gestellt werden. Eine anachronistische Regelung aus der Übergangszeit zum Digitalen. Aber was folgt darauf?

Blickt man ein paar Jahre in die Zukunft, ist die Forderung des ORF berechtigt, hier „mehr zu dürfen“. Was allerdings in allen Wünschen fehlt, ist die Introspektion: Man hat vier gebührenfinanzierte Fernsehsender in Betrieb. In einer digitalen Welt wird das auf Sicht zur unnötigen Last. Das Gebührenmonopol dient dazu, Inhalte zu verbreiten, die der Markt nicht herstellen kann. Ein Blick aufs Fernsehprogramm verrät, dass große Teile von ORF 1 und ORF 2 nicht gerade unter akutem Artenschutz stehen.

Am Montagabend etwa sieht das ORF 1-Publikum die Fußball-WM, die es auch auf Servus TV spielt, auf ORF 2 läuft die gefühlt vierhunderttausendste Folge eines Formats des niederländischen Kommerz-TV-Königs Jon de Mol: die „Millionenshow“.

Man hat – das kann man weder der amtierenden Regierung noch Weißmann allein vorwerfen – die Zukunft stets Zukunft sein lassen. Entsprechend wurde das Fernsehen im ORF aufgeblasen und eines der wenigen wirklichen Assets, mit dem man auch in Online-Formaten sofort punkten könnte, gnadenlos zusammengespart: die TV-Information.

ORF und Politik sollten jetzt gemeinsam darüber nachdenken, ob man einen Sender einspart und verkauft, so lange es noch einen Markt dafür gibt. Das Zeitfenster schließt sich. Gleichzeitig ergibt sich eine Chance: Wo heute drei Leute für einen zweiminütigen Beitrag einen Tag durch die Gegend marschieren, sind Digitalformate aus Prinzip günstiger. Sieht man sich an, was erfolgreiche Tiktoker oder Youtuber für ihre Produktionen ausgeben, weiß man: Hier liegt echtes Sparpotenzial. Wie sagt der Bundeskanzler? „Keine Denkverbote.“ Wir nehmen Sie beim Wort.

Porträt eines Mannes mit Brille vor dem Hintergrund „Kurier Kommentar“.

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