Was ist ein Österreicher?

Es ist jedes Jahr eine ähnliche Gefühlslage. Am Nationalfeiertag wollen wir stolz sein. Stolz auf Österreich, stolz auf unsere historischen Wurzeln, stolz auf unsere Stellung in der Welt. Hofburg, Kanzleramt, Ministerien und das Parlament öffnen die Tore, um die Besucher in diesem Gefühl zu bestärken. Auf Ö3 sind nur die besten Songs aus Österreich zu hören, auf dem Heldenplatz in Wien präsentiert sich das Bundesheer mit einer großen Leistungsschau. Gemäß einer Zeile aus der Bundeshymne: „Heimat großer Töchter und Söhne.“
Da steckt so viel an Sehnsucht nach Harmonie und gesellschaftlichem Zusammenhalt drinnen, dass man es kaum wagt, mit unangenehmen Fragen hineinzugrätschen. Es muss aber sein, weil wir uns schon zu lange davor drücken, wieder einmal die Frage nach einer österreichischen Identität zu stellen. Wer oder was ist eine Österreicherin, ist ein Österreicher im Jahr 2024? In diesem Land hat sich zu viel verändert, um die Antwort nur in den historischen Wurzeln zu suchen. Das lässt sich allein schon am Anlass für den Nationalfeiertag festmachen. Der wurde in Erinnerung an das Neutralitätsgesetz verankert. Jene Neutralität, die zuletzt wegen des Ukraine-Krieges immer wieder für Diskussionen gesorgt hat. Und die seit dem Beitritt zur EU ohnehin nicht mehr jenen Stellenwert hat, der ihr 1955 zugedacht war. Deswegen wäre der Nationalfeiertag ein guter Anlass, die Reflexion zu intensivieren.
Leitkultur-Debatte
Die ÖVP hatte ja vor einigen Monaten versucht, so einer Leitkultur-Debatte einen Startschuss zu verpassen. Nicht zuletzt, um danach eine Art Wertekatalog zu verfassen, der Migranten vorgelegt wird, wenn sie in Österreich bleiben wollen. Ein Schwerpunkt wurde dabei auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau gelegt.
Eine verunglückte Werbekampagne, bei der Leitkultur mit Tracht und Tradition verwechselt wurde, sowie eine etwas verkorkste Expertenrunde mit Ministerin Susanne Raab an der Spitze dürften die Lust an dem Thema getrübt haben. Dabei waren Wissenschafter wie Rainer Münz dabei, die zum Start der Diskussion sofort eingeworfen hatten, dass wir uns erst selbst hinterfragen müssen, um künftigen Zuwanderern kulturelle Vorgaben machen zu können.
Der Wahlkampf ist vorbei, die Chance einer entideologisierten Debatte gegeben. Neu zu definieren, was unser gesellschaftlicher Zusammenhalt ist, muss als ein Gebot der Stunde angesehen werden. Nicht nur wegen der Migration, die natürlich einiges in unserem Österreich verändert hat und die uns vor die Aufgabe stellt, unser eigenes, westliches Wertegerüst zu verteidigen, indem wir es einfordern. Auch wegen einer gewissen Spaltung in der Gesellschaft, die Krisen wie die Corona-Pandemie mit sich gebracht haben.
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