Nicht mit Ruhm bekleckert

Martina Salomon
Der beruhigende Religionslehrerton des Gesundheitsministers täuscht über das Chaos in Bundes- und Landesbehörden hinweg
Martina Salomon

Martina Salomon

Wir leben in einem gespaltenen Land. Hie diejenigen, die die Corona-Angst und alle Maßnahmen für unverhältnismäßig, ja geradezu gefährlich halten. Da jene, die über verfrühte Lockerungen schimpfen, sich nach dem Obrigkeitsstaat sehnen und die Rückkehr der Maskenpflicht bejubeln. Wobei eine Maske im Supermarkt lediglich Placebo ist. Dort steckt sich niemand an, während man in einer (feucht-fröhlichen) Bar, beim Kartenspiel oder beim Singen offenbar gefährdeter ist, wie St. Wolfgang (wieder) gezeigt hat. Fast ausschließlich Praktikanten haben sich hier untereinander angesteckt, wirklich erkrankt ist kaum jemand. Offenbar trugen Betroffene das Virus symptomlos in sich – was bei Jungen häufiger der Fall ist. Vielleicht ist das Virus nicht (mehr) so gefährlich, wer weiß? Oder andererseits infektiöser als angenommen? Das ist das Heimtückische: Man kann sich auch bei nicht merkbar Erkrankten anstecken – eine Herausforderung im Herbst, wo jedes bisschen Hüsteln oder eine rinnende Nase Hysterie erzeugen wird!

Was jetzt? Auch wenn der Gesundheitsminister den für so eine Krise absolut passenden (Religionslehrer-)Ton anschlägt (und dementsprechend hohe Beliebtheitswerte hat), täuscht das doch über das Chaos in den Bundes- und Landesgesundheitsbehörden hinweg. Sie sind heillos überfordert, und der Föderalismus ist dabei eher von Nachteil. Da hat sich ein giftiges Ringelspiel entwickelt: Immer der jeweils andere ist schuld, keiner trägt Letztverantwortung. Auch die flächendeckenden Tests waren ein leeres Versprechen der Regierung Kurz. Bis zum Ergebnis dauert es außerdem meist zu lang (aktuell am Wolfgangsee klappt es aber gut). Und viele Ärzte sind während des Lockdowns einfach abgetaucht und haben ihre Patienten im Stich gelassen. Zum Teil verständlich, weil es einen Mangel an Schutzbekleidung gab. Es dauerte ewig, bis der behoben war, da haben sich auch Großspitäler wie das AKH sowie die Standesvertretung der Ärzte nicht mit Ruhm bekleckert. Unrund lief es auch bei der Wirtschaftsförderung: Österreich ist einerseits großzügiger als andere, andererseits bürokratischer. Es gibt Verwirrung und ständige Gesetzesreparaturen, auch was regionale Schließungen und Reisebestimmungen betrifft.

Der Zickzack-Kurs war zu Beginn verständlich, jetzt braucht es mehr Klarheit. Adaptierungen hingegen kann man niemandem vorwerfen – angesichts so vieler Unsicherheiten muss man flexibel (aber weder schlampig noch überbürokratisch) reagieren. Vielleicht haben viele Regierungen, auch unsere, mit den Maßnahmen übertrieben, und am Ende bleibt nur der Schweden-Weg der „Herdenimmunität“. Der Lockdown gab uns immerhin Zeit, die Behandlung schwerer Fälle zu verbessern. Gewissheit gibt es erst im Rückblick auf das verflixte Jahr 2020.

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