Neue Bescheidenheit in der Politik

Die Zeit der Krösusse in der Politik ist Gott sei Dank vorbei. Nun schlägt das Pendel in die andere Richtung aus.
Martina Salomon

Martina Salomon

Vergangene Woche erledigte Michael Ludwig seinen ersten Auslandsbesuch. New York, Schanghai oder Tokio wie sein Vorgänger Michael Häupl? Nein, der neue Wiener Bürgermeister fuhr mit dem Zug Kipferl-verteilend ins nahe Bratislava. Auch die erste Dienstreise von Außenministerin Karin Kneissl führte übrigens von Gramatneusiedl in die Slowakei.

Spießig? Ja, schon ein bisschen. Aber wer ein Politiker der Herzen werden will, übt sich in Bescheidenheit. Statussymbole wie fettes Dienstauto, hohe Politikerpension und exotische Auslandsreisen sind eher ein Merkmal aufstrebender, armer Länder, sieht man vom vergoldeten Neureichen-Pomp Donald Trumps einmal ab. In Europa hingegen haben Politiker gefälligst in Sack und Asche zu gehen. Daher wählt auch Bundeskanzler Sebastian Kurz – wohl kalkuliert – oft Holzklasse bei Flugreisen. Das kommt extrem gut an beim Volk, ist für einen so jungen Menschen kein Problem, bringt aber ältere, übergewichtige Beamte und Diplomaten ins Schwitzen, weil sie nach Transatlantikflügen unausgeschlafen zu wichtigen Meetings erscheinen.

Abschied vom Logo

Understatement ist angesagt. Natürlich ist das eher ein Phänomen der Oberschicht, wo Logolosigkeit zum neuen Logo ausgerufen wurde. Siehe die einstige Kultmarke „ American Apparel“, die jungen Hipstern aus Gutverdienerhaushalten abgeschabten Look mit ethisch korrektem Image verpasste. Die Marke scheiterte an eigenen, überzogenen Ansprüchen und verlor an Bedeutung.

Für manche Branchen ist der Abschied vom Markenbewusstsein gar nicht ungefährlich. So ist die deutsche Autoindustrie mittlerweile hauptsächlich vom stark wachsenden, aber dennoch schwankenden chinesischen Markt abhängig. In Europa, speziell in Deutschland und Österreich, ist das Auto längst kein Statussymbol mehr. Das Image einiger Luxusmarken ist dank abgehobener Manager, Fortschritts-Ignoranz (weil man mit der herkömmlichen Technik ohnehin genug verdiente) und Anti-Diesel-Furor der deutschen Politik ordentlich angeknackst. Junge Städter haben immer öfter keinen Führerschein oder verzichten auf ein eigenes Auto und folgen lieber dem Motto „sharing is caring“. Sie blicken verächtlich auf die aufgetunten Protzautos jener, die noch die Chance haben, ihre Eltern einkommens- und bildungsmäßig zu überholen (und daheim einen Monster-Fernseher stehen haben). Die Luxusgesellschaft leistet sich Verzicht als Luxus.

Eigentlich ein Wunder, dass man dem Bundespräsidenten, immerhin ein Ex-Grüner, zugesteht, weiter als nach Hainburg und mit etwas anderem als einem Elektroboot auf Übersee-Besuche zu fahren.

Bei aller Sympathie für „gut geerdete“, sparsame Politiker: Die haben einen Stressjob, müssen international unterwegs sein, haben oft ein Schlafdefizit wegen nächtlicher Verhandlungen und stehen immer im Rampenlicht. Niemand hat etwas davon, wenn sie nur bis Großklein oder Knittelfeld kommen und wegen Symbolpolitik auf einen Chauffeur verzichten.

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