Nachzipf für die Schulpolitik

Schoolchildren Running Into Playground At End Of Class
Ein gut dotiertes Bildungssystem schafft es in neun Schuljahren nicht, dass annähernd alle Absolventen lesen können. Ein Skandal
Martina Salomon

Martina Salomon

Schulschluss – und allerorten Jubel über bestandene Abschlüsse (verdächtigerweise vor allem bei Eltern). Aber sagt das auch etwas über den Bildungsstand der Absolventen aus? Leider nein. Ein im internationalen Vergleich eigentlich recht gut finanziertes Bildungssystem schafft es skandalöserweise in neun Pflichtschuljahren nicht, dass annähernd alle Abgänger ordentlich lesen können. Freundlich gezählt haben 20 Prozent erhebliche Mängel, schärfer betrachtet sogar 40 Prozent.

Wie kann das sein? Der Hauptfehler bei der Entwicklung der sogenannten „neuen Mittelschule“ 2007/08 war, nicht mehr nach Können zu differenzieren. Die damalige Ministerin Claudia Schmied hielt Leistungsgruppen für falsch. Damit war der Weg in Richtung Nivellierung beschritten und außerdem der Misserfolg der Gesamtschule besiegelt, die die SPÖ über die Hintertüre einführen wollte. Diese Schulen bekamen – vor allem in städtischen Ballungsräumen – alle gesellschaftlichen Probleme draufgepackt: „bildungsferne“, gleichgültige Eltern, dramatisch fehlende Deutschkenntnisse, nicht nur bei Zuwanderern, Disziplinlosigkeit. Das erzeugte eine Flucht in die Gymnasien sowie in Privatschulen – und einen eklatanten Lehrermangel an den NMS. Wer kann, unterrichtet an einem Gymnasium. Das ist seit der reformierten gemeinsamen pädagogischen Ausbildung (und völlig unnötigen Verlängerung) kein Problem mehr.

Dazu kommen Bürokratieschikanen, die den Spielraum am Schulstandort einschränken. Und dann setzte noch eine Pandemie den Unterricht teilweise außer Kraft (und Familien unter Totalstress).

Die Schulpolitik muss daher auf Neustart setzen, und zwar sofort. Bildungsziele sind zu erreichen. Es muss aufhören, dass eine Einrichtung oder eine Schulstufe ihre Problemfälle einfach nur an die nächste weiterreicht, bis am Ende die Betriebe den Lehrlingen Basiswissen (und oft sogar Umgangsformen) beibringen müssen. Brennpunktschulen brauchen mehr Personal als andere. Dennoch sollte sich das Schulwesen nicht nur um Schwächen kümmern, sondern unbedingt auch um Stärken (handwerkliche nicht vergessen!).

Die Zeit des Laissez-faire muss vorbei sein. Dazu braucht es eine Imageaufwertung der Lehrerinnen und Lehrer (und weniger Krankjammern durch die eigene Standesvertretung). Das ist ein besonders verantwortungsvoller, sinnstiftender Beruf, mehr noch: Berufung. Ziemlich oft scheinen aber die Unterrichtsinhalte im vorigen Jahrtausend stecken geblieben zu sein. (Aber davon reden wir ebenfalls schon seit gefühlt hundert Jahren.) Auch wenn sich jetzt alle über die Ferien freuen: Die Schulpolitik muss nachsitzen. Bisher war Bildungsminister Martin Polaschek nämlich höchstens Evaluierungs- aber kein Entscheidungsminister.

Martina Salomon

KURIER-Herausgeberin Martina Salomon

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