Michael Ludwig allein zu Haus

Michael Ludwig allein zu Haus
Für den echten Wiener Heinz-Christian Strache wird es eng. SPÖ-Chef Michael Ludwig dürfte das nicht freuen.
Christoph Schwarz

Christoph Schwarz

Es sind gute Tage für alle Freunde der feinen Ironie. Wer hätte je gedacht, dass ausgerechnet der heimattreue Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eines Tages beweisen muss, dass er ein echter Wiener ist?

In der Wohnsitz-Causa gerät er weiter unter Druck. So nützt es auch nichts, dass Strache unlängst – mutmaßlich frisch mit Notgepäck aus dem fernen Klosterneuburg angereist – Fotos mit „lieben Nachbarn“ aus dem 3. Wiener Gemeindebezirk auf Facebook postete. Ein Rechtsstreit mit dem SPÖ-Parlamentsklub könnte jetzt endgültig beweisen, dass sein Lebensmittelpunkt eben nicht in der Bundeshauptstadt liegt, sondern in Niederösterreich: In der Klage, die sein Anwalt schickte, wird die Klosterneuburger Wohnadresse angeführt. Wer sich in Wien wählen lassen will, muss aber auch hier wohnen. So sieht es das Gesetz vor.

Welch breite Aufmerksamkeit die Affäre auf sich zieht, zeigt, wie groß die Angst von Straches Konkurrenten vor dem Ibiza-Geschwächten noch immer ist. (Dass sie Strache damit in seiner Leibrolle als Polit-Opfer stärken, steht auf einem anderen Blatt.) Es beweist aber auch, wie inhaltlich blutleer der Wien-Wahlkampf ist.

Zurück zur Ironie. Unglücklich über die jüngste Enthüllung des SPÖ-Klubs dürfte vor allem einer sein: Wiens SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Ludwig. Ihm kommt mit Strache, falls dieser nicht antreten darf, ein entscheidender Wahlhelfer abhanden. Ludwig mangelt es an Konkurrenz – und damit an Möglichkeiten, sein Profil zu schärfen und Wähler zu mobilisieren. Wer in den Umfragen so klar in Führung liegt wie er, muss aber genau das tun, um am Ende nicht eine Enttäuschung zu erleben.

Beim roten Langzeit-Gegner, der FPÖ, ist schon länger niemand mehr zu Hause. ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel lebt zwar in Wien, verlässt Österreich jedoch zu selten, um wahlzukämpfen. Bleibt nur Koalitionspartnerin Birgit Hebein als Reibebaum. Die Grüne hat aber so schlechte Beliebtheitswerte (der Pop-up-Radweg lässt grüßen), dass sie kaum als Gegnerin taugt. Auch das Schreckgespenst von der türkis-grün-pinken Dreier-WG ist so furchterregend nicht. Seit Monaten versuchen die Roten, vor der (rechnerisch möglichen) Koalition von ÖVP, Grünen und Neos zu warnen. Dass die Neos dem jetzt definitiv eine Absage erteilten und die beiden anderen Mitbewohner nie öffentlich Sympathie zeigten, ist ein entscheidender Schönheitsfehler.

Womit wir erneut bei der Ironie wären: Falls Strache nicht kandidieren darf, könnten entscheidende Prozentpunkte an Ludwigs Opponenten gehen. Dass der SPÖ-Chef im Oktober aus dem Rathaus ausziehen muss, ist und bleibt unwahrscheinlich. Je stärker sein künftiger Partner ist, desto mehr Büros muss er aber umdekorieren. Wer wie die SPÖ seit 75 Jahren nicht entrümpelt hat, könnte sich da schwertun.

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