So weit, so normal, möchte man sagen. Dennoch ist das derzeitige innenpolitische Bild ein deplorables. Denn es ist ja nicht so, dass es eine Wendestimmung gäbe, weil etwa die SPÖ mit überzeugenden Konzepten die Themenführerschaft beanspruchen könnte. Der wieder errungene Platz eins, den ihr auf Bundesebene die Umfragen ausweisen, verdankt sich ausschließlich der Schwäche der ÖVP, die – personell und ideell – in einer tiefen Krise steckt. Kein Mensch redet mehr vom „Besten aus beiden Welten“ – auch die Grünen dürften mittlerweile erkannt haben, dass die Gemeinsamkeiten mit der ÖVP in Wahrheit nicht ausreichen, um eine gemeinsame Regierung zu bilden. Aus bürgerlicher Sicht hätte ohnedies immer schon klar sein müssen, dass eine „ordentliche Mitte-Rechts-Politik“ (© SK) mit einer diametral positionierten Partei wie den Grünen nicht machbar ist.
Für die Grünen mag der Verbleib in der Koalition nur insofern reizvoll sein, als sie weit mehr Einfluss haben, als ihnen aufgrund der Größenverhältnisse (14 Prozent versus 37,5 der ÖVP) zukäme; und mehr als sie in einer Ampelkoalition mit SPÖ und Neos – an sich die Traumregierung der Linken – hätten, wo sie möglicherweise sogar hinter den Neos lägen. Aber für eine Partei, die sich auf der richtigen Seite der Geschichte wähnt, kann das natürlich nicht befriedigend sein.
Den Neos wiederum drohte in einer solchen Regierung das Schicksal der deutschen FDP, die wohl am meisten ihre Wähler enttäuscht hat und dementsprechend in den Umfragen zurückgefallen ist. Dennoch muss man anerkennen, dass unter allen den Krisen aufgeregt und orientierungslos hinterherhechelnden Parteien des Landes bei den Neos immerhin Restbestände ordnungspolitischer Vernunft auszumachen sind. Das ist nicht nichts in Zeiten wie diesen.
Gewissermaßen am anderen Ende des Spektrums steht zurzeit die FPÖ, die unter Herbert Kickl wieder einmal auf Crash-Kurs ist. Offenbar ist es das Schicksal der FPÖ, wie Sisyphos den Stein der Stimmenmaximierung durch Fundamentalopposition bis zur Regierungsbeteiligung hinaufzurollen, um dann dramatisch abzustürzen. Ob man sich – frei nach Camus – den jeweiligen FPÖ-Chef als glücklichen Menschen vorstellen muss, sei indes dahingestellt.
Zu all dem passt, dass SPÖ und ÖVP nicht die Kraft haben, einen Herausforderer für die Hofburg zu nominieren. Nicht das größte Problem – aber symbolisch verheerend.
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