Zu wenig Mut – viel zu wenig

ARBEITSKLAUSUR DER BUNDESREGIERUNG: BABLER / STOCKER / MEINL-REISINGER
Die Wähler strafen ÖVP und SPÖ für ihre Regierungsperformance gnadenlos ab. Vielleicht hilft ja eine ambitioniertere Budgetplanung.
Michael Hammerl

Michael Hammerl

Einiges umgesetzt, aber desaströse Umfragewerte: So lässt sich der Zwischenstand nach einem Dreivierteljahr Türkis-Rot-Pink zusammenfassen. Die Neos bleiben, trotz interner Grabenkämpfe, als drittes Rad am Wagen halbwegs stabil. Ganz im Gegensatz zu ÖVP und SPÖ, die Demoskopen bereits unter je 20 Prozent verorten. In manchen Umfragen sind sie nur noch gemeinsam so stark wie Herbert Kickls FPÖ.

Ob Kriege, Wirtschaftskrise oder der europaweite Popularitätsverfall (ehemaliger) Großparteien: Natürlich helfen externe Trends ÖVP und SPÖ nicht. In Österreich wirkt es aber so, als sei ihnen jede DNA abhandengekommen. Die SPÖ-Bundesführung unter Andreas Babler mag die marxistischste der Zweiten Republik sein – nur schmeckt der Linkspopulismus den Wählern kaum. Und Bablers Haltung bleibt parteiintern eine exklusive, die erfolgreichen Landeschefs sind ideologisch breiter aufgestellt. Im Außenauftritt noch diffuser wirkt bisweilen die ÖVP. Sie hält weiterhin den von Sebastian Kurz verschärften Migrations- und Integrationskurs. Dieser ist in Österreich mehrheitsfähig, bringt aber keine freiheitlichen Stimmen mehr. Also: Wofür steht die Volkspartei abseits davon? Für das Vorgaukeln wirtschaftsliberaler und fiskalkonservativer Haltungen, während man die Republik ins Budgetchaos führte?

ÖVP und SPÖ werden sich nicht bis zur nächsten Wahl durchmogeln können, so sie einen blauen Kanzler erneut „verhindern“ wollen. Sie haben ein kurzes Zeitfenster um sich personell, im Außenauftritt und inhaltlich neu zu definieren. Für die inhaltlichen Weichen ist die Budgetplanung ab 2027 entscheidend. Die wichtigsten Fragen bis dahin müssen ÖVP, SPÖ und Neos beantworten: Ist die Regierung zu klaren Einschnitten in der Struktur bereit? Im Förderwesen, bei den Ländern, im Pensionssystem? Hat sie einen mutigen Plan, um die massive Steuer- und Abgabenquote auf Arbeit zu senken? Oder macht sie weiterhin das Minimum, nimmt sich damit jeden finanziellen Spielraum und wartet auf bessere Zeiten? Es droht Zweiteres. Es dräuen Mini-Reformen, weitere Steuererhöhungen und Stillstand.

Nein, die Freiheitlichen liefern keine besseren Vorschläge, um die Staatskasse zu sanieren. Im Gegenteil, sie übten vernichtende Kritik an der überfälligen Erhöhung der Pensionen unter der Inflation – oder forderten Preisdeckel ohne Gegenfinanzierung. Eine Oppositionspartei darf aber budgetär Unmögliches verlangen. Eine Regierung muss erzählen können, warum ihre Politik die richtige ist. Türkis-Rot-Pink schafft das bisher nicht. Die Koalition konnte ihre Wahlprogramme nicht in Maßnahmen und Botschaften gießen, die ankommen. Zwischenbefund der Wähler: Da kommt zu wenig – viel zu wenig.

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